18.08.2013: System Of A Down, Volbeat, Tenacious D, Deftones, Casper, Biffy Clyro - Veltins Arena, Gelsenkirchen

18.08.2013
 

 


Genau wie zur Premiere gab es Regenwetter.
Doch auch in diesem Jahr war dies natürlich kein Problem für DAS überdachte Festival zum Abschluss der Saison – Rock im Pott 2013!

Trotz abgenommener Besucherzahl blieb man in der Arena auf Schalke dann aber nicht vollkommen trocken, denn der Schweiß der ca. 27.000 anwesenden Musikfreunde tropfte förmlich von der Decke herab. Jede der sechs Bands wurde gefeiert wie ein Headliner, sodass die einzelnen Gruppierungen auch schnell merkten, dass sie mit verschiedensten Aufforderungen das Publikum dauerhaft reagieren lassen konnten. Und das war kein bloßes Gehorchen. Das war pure Euphorie. Schließlich hatte man 365 Tage auf diese Fortsetzung gewartet.

Ein Ende fand die Vorfreude mit Biffy Clyro, die als schottische Rampensäue mit nackten Oberkörpern sofort für den richtigen Druck im Verstärker sorgten, welcher sich nun für einige Stunden halten sollte. Dieser eigenständige Sound und der vorteilhafte Mix aus neuesten Radiosongs und hymnenartigen Riff-Brettern ist als Opener eine exzellente Wahl und wurde auch so angenommen. Spätestens nach dem Schlussakkord von „Mountains“ konnten sich Biffy Clyro sehr sicher sein, dass einige Leute vor ihnen sich nicht nur einmal gefragt haben, was denn danach bitteschön noch kommen solle.

Doch wenn an Platz Nummer 2 die Deftones warten, hat sich die Frage schnell erledigt. Sänger Chino Moreno hatte einmal mehr eine Aura um sich, die sich so anfühlt wie seine Stimme sich anhört. Eben einfach einzigartig. Dazu Gitarren, die sich so böse in die Ohren hämmerten, dass jedem klar wurde, dass es hier heute keine Ruhepause geben würde. Die Band ging von vorne bis hinten konstant in die Vollen und nutzte die Zeit, um auch Einiges vom neuen Album „Koi No Yokan“ zu präsentieren. Die Masse tobte und war sichtlich dankbar für einen bisher sehr impulsiven Sonntagnachmittag.

Ein Mann, der das Wort „impulsiv“ ebenfalls in Form seines Auftretens auf der Bühne gepachtet hat, ist Casper. Allein die Ankündigung, dass es nicht wenige Stücke von seinem Erfolgsalbum „XOXO“ zu hören geben wird, erfährt natürlich eine positive Akzeptanz vom Publikum, die auch seinem gesamten Auftritt zu Gute kommt. Er heizte der Meute ordentlich ein und forderte sie oft zum Mitmachen auf, was jedes Mal von einem symbiotischen Erfolg gekrönt wurde. Wer mit einem einzigen Album mal eben so einer ganzen Generation aus der Seele spricht, der muss live immer wieder beweisen, dass er es auch wirklich ernst gemeint hat. Im Pott hat Casper einen sehr überzeugenden Beweis abgeliefert.

Und dann: Tenacious D. Die Anerkennung für diese Band ist auch auf Schalke so unfassbar groß - Wenn Jack Black eine ganze Stunde lang alleine irgend eine unbekannte Oper intoniert hätte, wäre jeder Fan zu 100% glücklich und zufrieden nach Hause gefahren. Nicht nur, weil Herr Black als eigentlicher Schauspieler eine außerordentlich gute Gesangsstimme vorzuweisen hat, sondern weil es auch noch lustig aussieht. Und das nutzen die beiden rockenden Schwergewichte mit einer köstlichen Comedy-Show getarnt als Rockkonzert wunderbar aus. Als Mönche verkleidet betraten sie ihre Spielwiese, auf der bereits ein riesiges Phallussymbol getarnt als Phoenix aus der Asche sein Revier markiert hat. Man könnte meinen, Tenacious D müssten von ihrer Musik ablenken, doch der – später sogar Konfetti-ejakulierende – Penis ist vielmehr eine Verbildlichung ihres hervorragenden FSK 18-Songkatalogs, der in der Arena tosenden Zuspruch findet. Am Ende feiern die Pottbesucher den besten Song der Welt, „Tribute“, genießen die lange Bandvorstellung inklusive einzelnen Solo-Improvisationen bei „Double Team“ und lachen noch einmal sehr vergnügt mit „Fuck Her Gently“ als Zugabe. Eben einfach einzigartig. Und das ist hier heute jeder, egal ob auf oder vor der Bühne.

Ist es Pop-Metal? Oder wie kann man den Stil von Volbeat bezeichnen, mit dem sie sich in den letzten Jahren eine gewaltige Fanbase erspielt haben? Wahrscheinlich ist es gerade diese Unberechenbarkeit der Dänen, die sie so überzeugend macht und die auch bei Rock im Pott beiden Seiten sehr viel Freude bereitet hat. Die Band zog Grimassen, lachte in die Menge und spielte mit den Fotografen. Dieses gewisse Etwas, das man als Co-Headliner bei so einem Festival dabei haben muss, zückten die Jungs mit Johnny Cashs „Ring of Fire“. Natürlich wieder auf ihre ganz eigene Art. Gepaart mit solchen Hits wie „Fallen“ oder „Heaven nor Hell“ war es das kräftige Gesamtpaket gefolgt von der mit fünf Liedern bestückten Zugabe, die das gesamte Stadion mit Jubelstürmen und einigen Moshpits verzierten. Volbeat sind momentan sehr weit oben und haben an diesem Abend gezeigt, das sie da auch noch sehr lange verweilen können.

Auf diesem Olymp lassen es sich System of a Down schon lange gut gehen. Es vergeht kein Rock-Festival – selbst wenn sie dort nicht zum Line-Up gehören – auf dem nicht mindestens ein gesamter Zeltplatz mehrmals am Tag umgeben von einigen ihrer Hits ist. Und das sogar während ihrer zwischenzeitlichen Auflösung. Wahrscheinlich waren es in dieser Phase sogar zwei Zeltplätze. Doch wie gut, dass sie ihren ach so treuen Fans seit 2011 wieder das amüsant verrückte und stets angenehm brutale Live-Paket gönnen. Und wie erinnert man sie daran, dass sie vollkommen zurecht auf diesen Moment gewartet haben? Richtig, mit „Aerials“. Wem diese verzerrte Ballade zu Beginn noch etwas zu ruhig war, der bekam im Handumdrehen „Suite-Pee“ vom grandiosen Debut in den erschöpften, aber immer noch mitschreienden Korpus gepresst. Doch bitte nicht vergessen, welche positiv durchgedrehten Armenier hier gerade vor einem stehen. Deshalb wird der Song nicht beendet und mit dem plötzlichen „Prison Song“ eine gemeine Kehrtwende vollzogen, die netter nicht sein könnte. Die Verrückten zeigen also auch heute, was sie ausmacht. Sie spielen nicht nur runter, was jeder kennt. Sie spielen auch noch Ping-Pong mit dem Publikum. Ein gutgelaunt grinsender Serj Tankian neben einem fies fluchendem Daron Malakian. Eine Headbang-Flut in der ganzen Arena bei „Chop Suey“, das ein oder andere Feuerzeug bei „Lonely Day“. Diese Schizophrenie macht so viel Spaß, dass „Sugar“ als Finale eigentlich nur noch wie das blitzschnelle Tüpfelchen auf einem wildgewordenen „i“ daherkommt. Doch mehr braucht es heute auch nicht. Die Band, die Fans und der ganze Pott: Alle Erwartungen erfüllt. Zweite Auflage des Festivals: sechsmal „einzigartig“.