(25.01.2020) ALEXISONFIRE, THE DISTILLERS, NOBRO - Vancouver, BC - Pacific Coliseum

29.01.2020
 

 

"Ooooooohhhhh, young cardinaaaals, nesting in the treeeees".... Dallas Green's Stimme hat sich mittlerweile an Arenen und grosse Hallen gewoehnt. Dennoch sitzen die Ausmasse der heutigen Show wie ein angenehm angespannter Kloss im Hals: Das Pacific Coliseum ist mit das groesste, was die Venueauswahl Vancouvers hergibt - dementsprechend zahlreich sind die Besucher heute angereist. Weder Ticketpreise (satte 100 kanadische Dollar / ca. 70 Euro rufen die Posthardcorelegenden auf) noch die abschreckende Mehrzweckhallengestalt mit ~10.000er Kapazitaet schrecken die (Die-Hard-)Fans ab, die sich am heutigen Samstagabend zwischen 14 und 40 Jahren bewegen und bereits vorbildlich zum Opener NOBRO erschienen sind. Der Vierer aus Montreal liefert Power und Protest zwischen FIDLAR und BIKINI KILL. "The Kids Are Back" oder "Marianna" funktionieren auch auf der grossen Buehne, dank der perfekt einstudierten ACDC-Gitarrenriffs der Riot Grrl-Fraktion, clever platzierter Bongo-Soli (!!) und der sympathischen Anzaehler auf franzoesisch. Neben dem Preis fuer das schoenste T-Shirtmotiv des Abends gibt es zum Abschluss noch die NOBRO-Version von MC5's "Kick Out The Jams" - dann sind alle Weichen gestellt fuer das was LA und Ontario moeglicherweise noch beisteuern moechten. 
 
Nach langer Livepause wird Vancouver heute gleich zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren von Brody Dalle und Co beehrt. Im Vergleich zu den USA tauchen THE DISTILLERS in fast derselben Schriftgroesse wie der Headliner des heutigen Abends auf dem Poster auf, und tatsaechlich pruegeln die Kalifornier dem fordernden Publikum Hit nach Hit um die Ohren. "Beat Your Heart Out", "Drain The Blood" und ein sehr frueh im Set untergrbrachtes "City Of Angels" bestaetigen, dass die Band aus Los Angeles auch nach zwei Dekaden noch jede Daseinsberechtigung hat. Dalle's Stimme sitzt, kraechzt, roehrt und drueckt in Hochform, zu "Dismantle Me" oder "I Am A Revenant" zeigt sich die Rhythmusfraktion von ihrer besten Seite. Die Wortfaulheit macht allenfalls die langen Stimmpausen zischen den Songs zur Strapaze und nimmt dem Set die Dynamik. Genuschelte Ansagen wie "This one's for all the ladyies in the house. Girls - do whatever the fuck you want with your life. Whatever. You. Want" oder "Here's a song about starting all over again. Spoiler alert: It's worth it!!" sowie ein satter, ausgeglichener Livesound halten die Meute bei Laune und bereiten auch ein noch pompoeseres Finale des Abends vor. 
 
 
 
Ein kinoreifes Intro und jede Menge funkelnde Lichtsaeulen spaeter bitten Wade MacNeil, George Pettit, Dallas Green, Jordan Hastings und Chris Steele zur Retrospektive der Extraklasse. "Accidents" eroeffnet das Fegefeuer in der Halle und zieht auch den letzten Sitz in der letzten Reihe auf dem hintersten Balkon mit. Die Publikumschoere erzeugen Gaensehaut, viel zu lange ist es her dass sich Zuschauerinnen und Zuschauer im Chorus von "Drunks, Lovers, Sinners And Saints" verloren haben. Oder sich zu "Boiled Frogs" die Koeppe eingehauen haben. Oder sich zur Groovewalze "Old Crows" die Seele aus dem Leib geschrien haben. Wade MacNeil's Schwarzlicht-Longsleeve ist auch zu "Control" oder "To A Friend" noch ein Hingucker - Pettit hingegen reisst sich direkt waehrend der ersten Set-Minuten das Shirt vom Leib und stampft wie ein kanadischer Godzilla ueber die Buehne, bis er eine Sinneswandlung durchlebt und einen Publikumstumult zu schlichten versucht. Die Energie, die beim neuen Track "Familiar Drugs" irgendwie im Raum verpufft, holen ALEXISONFIRE mit ".44 Love Letter" in Sekundenschnelle zurueck. Vancouver beloht mit beaengstigender Textsicherheit und gigantischen Singalongs, die vor allem bei "This Could Be Anywhere In The World" anstecken. Noch ein fixer Shoutout an die lokalen Kollegen und Kumpels von COMEBACK KID, dann trauen sich Green und Co mit "Season Of The Flood" erfolgreich auch ans junge Gemuese im Repertoire. Eingespielt, aufgeweckt, sympathisch und inmitten des Geschehens wirkt das gut 90 minuetige Set manchmal beinahe so, als wuerde es in einer gesunden und intimen Clubatmosphaere stattfinden. "Young Cardinals" gibt es als ueberfaelligen Ohrwurm mit auf den Weg, bevor sich die Gaensehaut dem naechtlichen Januarnebel British Columbia's ergibt.