25.11.2019: CULT OF LUNA, BRUTUS, A.A. WILLIAMS - Köln - Bürgerhaus Stollwerck

26.11.2019
 

 

CULT OF LUNA sind keine von diesen Bands, die man hier in Deutschland jedes Jahr sehen kann. Und das ist vermutlich auch gut so. Nun haben die Schweden mit „A Dawn to Fear“ ihr mittlerweile achtes Album herausgebracht und sind im Zuge dessen auf Europatour. Passenderweise in einer Zeit, in der es stark auf den Winter zugeht.

Im Vorprogramm haben die Schweden heute zwei Künstler, die das Prädikat „Durchstarter“ verdienen. A.A. WILLIAMS haben auf Spotify gerade mal fünf Songs und einige Abwandlungen dieser hochgeladen, die ersten beiden davon im Jahre 2018. Trotzdem stehen auf der Bühne drei gestandene Musiker, die mit viel Liebe zum Detail agieren. Sicherlich schwebt unüberhörbar der Vergleich zu CHELSEA WOLFE durch den Raum, denn stimmlich kommt das dem Ganzen schon sehr nahe. Musikalisch haben A.A. WILLIAMS allerdings mit dem neuesten Album von Wolfe nicht mehr all zu viel gemeinsam und legen viel Wert auf Atmosphäre. Hier packt der Schlagzeuger die Besen aus und streicht über seine Snare, um kaum hörbare Nuancen hervorzulocken. Dort der Gitarrist/Bassist auf der linken Bühnenhälfte, der eine sechssaitige Gitarre die meiste Zeit für die Basslinie der fragilen Songs verwendet, aber auch manchmal zu soloartigen hohen Ausflügen ansetzt. Kernstück der Musik ist sicherlich WILLIAMS schaurig-schöne Stimme. Auch wechselt sie des Öfteren vom Zupfen ihrer Gitarre ans Klavier bzw. die Synthies. Man fühlt sich bestens unterhalten und in den Abend eingeführt, denn A.A. WILLIAMS punkten für einen Opening-Act gerade in Sachen Vielseitigkeit.

 

 

BRUTUS stehen kaum einer Band in diesem Punkt etwas nach. „Nest“ wird vorab schon in einigen der ersten Jahreslisten als eines der besten Alben des Jahres gehandelt. Eine Meinung, die ich teile. Das Revolver Magazine bezeichnete das Zweitlingswerk vor allem als eines: abwechslungsreich. Nicht nur „War“, die herausragende Single auf „Nest“, könne einem eine Gänsehaut über den Körper jagen. BRUTUS schaffen das auch an vielen anderen Stellen auf diesem Album, insbesondere dann, wenn die Paarung zwischen Härte und Dynamik sowie ruhigeren Parts mit Stefanie Mannaert’s wunderschönem Gesang am besten funktioniert. Da „War“ das Set eröffnet, dürften all diejenigen, die BRUTUS tatsächlich bis dahin noch nicht auf dem Schirm hatten, nun mit ihrer Aufmerksamkeit bei dem Trio aus Belgien sein. Wie auch schon auf ihrer Headline-Show im Kölner MTC im Mai präsentieren BRUTUS mit etwas mehr Abstand zur Veröffentlichung ihres zweiten Albums eine gute Mischung beider Platten mit Fokus auf „Nest“. Heute glücklicherweise mit deutlich besserem Sound. BRUTUS waren die Band, die meiner Meinung nach bisher den besten Sound aus dem was dies angeht eher bescheidenen MTC rausgeholt hatten – was das für ihren heutigen Auftritt im Bürgerhaus Stollwerck bedeutet, brauche ich wohl nicht mehr betonen. Die Effektpedale von Bassist Peter Mulders und Gitarrist Stijn Vanhoegaerden stehen im Längenmaß den Pedalen von A.A. WILLIAMS in Nichts nach, und das macht sich heute besonders gut auch auditorisch bemerkbar. Prägnant pusht der Bass (gerade in „Techno“), während die Gitarre mal brachial walzt, mal scharf sticht, aber auch mal warm und verspielt klingt. Das Hauptaugenmerk gilt allerdings einmal mehr Schlagzeugerin Stefanie, ohne die BRUTUS nicht zu denken wären. Unglaublich, was diese Frau immer wieder neben ihrem punktgenauen und energetischen Schlagzeugspiel noch aus ihren Stimmbändern zaubert. Wenn diese Band keine große Zukunft vor sich hat, wer dann?

 

 

CULT OF LUNA haben ihren Ausnahmestatus bereits seit vielen Jahren fest zementiert. Dennoch kann man immer wieder mit feuchten Augen rechnen, wenn eine neue Platte der Schweden angekündigt wird. So zuletzt im September dieses Jahrs, als „A Dawn to Fear“ das Licht der Welt erblickte. Die Band um Johannes Perrson hat wieder gezaubert, und darum macht sie keinen Zauber: Gleich zu Beginn kann man sich mit „The Silent Man“ darüber einen Eindruck verschaffen, wie es mit mittlerweile acht Studioalben im Rücken um CULT OF LUNA steht. Wie eh und je kriegt man Gitarrenwände und unerbittliches Geshoute vorgesetzt, verwebt mit subtilen Details. „Finland“ wirkt mit seinen verstörenden Synthies gerade in Kombination mit der darauf angepassten Lightshow wie ein früher Wachmacher im noch jungen Set von CULT OF LUNA. Der hypnotische Post Metal zieht schnell in den Bann, sofern man sich darauf einlässt. Ein Blick von der Empore des Bürgerhaus Stollwerck und man kann sich gewiss sein, dass das auf das Kölner Publikum zutrifft. Wohin man sieht, sieht man ehrfürchtige und gespannte Gesichter. In neuen wie in alten Stücken (älter als 2006 wird es allerdings nicht) kann man sich verlieren. Längst vergessen sind die Tage, in denen CULT OF LUNA noch nicht als ebenbürtige dritte Instanz im Post Metal angesehen wurden, sondern als ein schwedischer Abklatsch von ISIS und vor allem von NEUROSIS. Angesichts der enormen durchschnittlichen Song- und Albenlänge, die für CULT OF LUNA typisch ist, geht heute sicherlich der ein oder andere Diehard enttäuscht nach Hause. Die Schweden spielen vier brandneue Songs, womit schon fast die Hälfte der Setlist abgedeckt wird. Ansonsten kommen Fans der Alben „Vertikal“ und „Somewhere Along the Highway“ auf ihre Kosten. Für mich als jemand, der weder in der Post Metal noch in der Doom oder artverwandten Szenen zuhause ist, ist es schön zu sehen, dass CULT OF LUNA ein sehr diverses Publikum auf den Plan ziehen. Offensichtlich schaffen es die Schweden, nicht nur noch die zu erreichen, die sie sowieso schon im Sack gehabt haben, sondern auch viele neue Fans. Bei einem Album wie „A Dawn to Fear“ kein Wunder – auch dieses, so kann man mit Sicherheit prophezeien, wird auf einigen Jahresbestenlisten zu finden sein. Der Closing Track „The Fall“ beendet auch das Gastspiel in Köln. Wer solche Songs schreibt, der muss sich damit auch blicken lassen.