AND SO I WATCH YOU FROM AFAR feiern in diesem Jahr den zehnjährigen Geburtstag ihres selbstbetitelten Debütalbums. Aus diesem Anlass widmen sie eine kurze Europa-Tour diesem Fan-Favoriten und spielen ihn in seiner Gänze live. Mit im Gepäck: Die kriminell unterbewerteten CATALAN!.
Die Unterbewertetheit von CATALAN! lässt sich problemlos durch die Kürze der Existenz dieser Band erklären. Der kreative Kopf hinter der Band trägt den Namen Ewen Friers, auf dem Kopf keine Haare und eine Gitarre vor dem Bauch. Die Aberwitzigkeit seines Projektes lässt sich vom Beginn des ersten Songs gleich erkennen: Was sich zunächst sehr leichtfüßig und eher lustig anhört, davor hat man spätestens in der zweiten Hälfte des Songs schon eine gewisse künstlerische Ehrfurcht, wenn man selbst ein Instrument spielt. Das Level dieser Musiker ist von Anfang an beeindruckend. Die unterschiedlichsten Einflüsse (funkige bis twinklige Gitarre, hiphop-artige Drumbeats, Spoken-word-anmutender Gesang bis hin zu emo-esquen Chants) mischen sich zu einem stets interessanten und tatsächlich nie ins peinlich ausufernden Gesamtbild zusammen. Live wird der Protagonist Friers begleitet durch drei Mitmusiker, die zwar vermutlich nicht für das Songwriting verantwortlich zeichnen, aber ihr Handwerk bestens beherrschen und dabei auch nicht wie herbestellte Statisten oder Söldner wirken. Nicht mal ansatzweise. Gerade der Schlagzeuger hat ständig all seine Extremitäten im Einsatz – häufig auch die rechte Hand an einem anderen Perkussionsinstrument als an seinem Drumstick. CATALAN! wirken wie eine Einheit, die einfach nur Spaß haben und Spaß ausstrahlen will. Erst im Nachhinein erfahre ich über die Facebook-Präsenz von CATALAN!, dass ein Mensch hinter all diesem Tamtam steckt. Und auch, dass bisher nur 4 Songs der Band im Internet kursieren. Und dass die Band auch schon mit ASIWYFA in Asien war. Wird also schleunigst Zeit für ein Debütalbum. Gefolgt von einer Headliner-Tour, die ich dann auf jeden Fall besuchen werde.
AND SO I WATCH YOU FROM AFAR sind musikalisch nicht so spaßig unterwegs wie ihre Vorband, aber mindestens eben so virtuos. Und das ist wirklich, wirklich nicht einfach zu bewerkstelligen. Es ist vor allem diese Ideenvielfalt, bei der die Band es immer noch durchweg schafft, einen kohärenten, bandtypischen Sound zu generieren, die AND SO I WATCH YOU FROM AFAR aus dem weiten Genre des Post Rock hervorheben. Zwar erzeugt man vielleicht nicht dieselbe Melancholie wie CASPIAN, nicht annähernd dieselbe Härte wie RUSSIAN CIRCLES (aber da bewegen wir uns wohl auch eher im Post Metal), eher holt man sich das beste aus beiden Welten – düster und zugleich virtuos. Hart und zugleich melodiös. Und das alles eher in sich abwechselnder Form und nur selten parallel. Ebenfalls, aber noch viel mehr als CATALAN! zuvor, ohne sich dabei auch nur irgendwelche Ausrutscher im Songwriting zu erlauben. AND SO I WATCH YOU FROM AFAR hatten schon zu Zeiten ihres Debütalbums ein besonderes Gefühl für den Aufbau von Songs, insbesondere für mitreissende Gitarrenmelodien und Klimax sowie Katharsis. Natürlich fußt das alles auf der stabil wie ein Uhrwerk vor sich hingroovenden Rhythmus-Sektion bestehend aus Bassist Jonathan „The Bearded Dragon“ Adger und Schlagzeuger Chris „The Big“ Wee, aber das Hauptaugenmerk liegt hier zumeist auf der ausdrucksvollen Gitarrenarbeit von Niall Kennedy und noch viel mehr auf der von Rory Friers (verwandt mit Ewen Friers von CATALAN!?). Auch wenn bei AND SO I WATCH YOU FROM AFAR die Unterscheidung zwischen Rhythmus- und Lead-Gitarre einerseits sehr schwerfällt und andererseits gar nicht mal so viel Sinn macht. „Set Guitars to Kill“ ist nach wie vor einer der beliebtesten Tracks der Band, so gibt es selbstverständlich auch einen großartigen Opener für die Liveshow ab. Glücklicherweise ist jedoch das komplette Debütalbum voller großartiger Momente, die oft den Moshpit aufs Neue anheizen und an anderer Stelle zum verträumten Mitwippen einladen. Der Fokus geht dank der präzisen Instrumentenarbeit jedoch nie verloren, AND SO I WATCH YOU FROM AFAR halten einen quasi fest, sodass man auch in ihren Ausschweifungen nicht verloren gehen kann. Tatsächlich wird die komplette Platte einmal von vorne bis hinten runter gespielt. Und man nimmt es der Band aus Nordirland mehr als nur ab, als Rory Friers sagt, er wünsche dieser heutigen Show an einem Sonntagabend (wohlgemerkt!), dass das Album länger wäre. Ein großartiges Tourende für AND SO I WATCH YOU FROM AFAR, bei dem der Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld von vorne bis hinten mitgeht. Auch in Sachen Atmosphäre und Akustik hat man bei der Wahl dieses Austragungsortes heute alles richtig gemacht. Chapeau an den CBE, Four Artists und den Underdog Recordstore. Und vor allem in erster Linie an CATALAN! und AND SO I WATCH YOU FROM AFAR. Heute gehe ich sogar mal mit einem besseren Gefühl nach Hause, als ich das erwartet hatte. Das passiert im Leben eines fast dreißigjährigen notorischen Dauerkonzertgängers nicht mehr allzu oft.