Bericht: HELLFEST 2016

23.06.2016
 

 

Wenn man sich Jahr für Jahr mal so anschaut was das Hellfest in Sachen Line-Up auffährt kann man bei Betrachtung des deutschen Metal- / Hardcore-Festival Marktes nur noch ungläubig mit dem Kopf schütteln. So schafft es das Festival im beschaulichen Clisson in Frankreich jedes Jahr ein irre gutes Line-Up zu stellen und zwar sowohl in der Tiefe wie in der Breite. Heisst: neben den absoluten Top-Bands der Marke Rammstein oder Black Sabbath tummeln sich natürlich auch so ziemlich alle in Europa tourenden Newcomer auf dem Festival. Zudem deckt das Hellfest ein konsequentes aber doch sehr breites Spektrum an Metal Rock und Hardcore Bands ab. Soll heissen: es ist von Rammstein bis zu Turnstile und von Foreigner bis hin zu Napalm Death alles mit dabei, was derzeit in der Szene Rang und Namen hat. Dennoch ist es erstaunlich, dass die 150.000 verfügbaren Karten jedes Jahr in der Regel innerhalb weniger Stunden ausverkauft sind. Grund Genug für uns von Allschools einmal den Weg in Richtung der französischen Atlantikküste zu wagen um einmal das Hellfest zu besuchen.

Hellfest Einlass

Wie schon erwähnt ist das Festival im recht kleinen Örtchen Clisson verortet und wie in Wacken oder in Dinkelsbühl (Summer Breeze) merkt man schon bei der Ankunft, dass die Anwohner voll hinter der Veranstaltung stehen. Im Ort arbeitet der lokale Damenfriseur mit King Diamond Make-Up, die Oma, der gerade eine neue Dauerwelle gelegt wird, hält einem die Pommesgabel raus und viele Geschäfte haben sich auf die metallischen Besucher eingestellt. Man fühlt sich bei Ankunft sofort herzlich willkommen und kommt durchaus freundlich ins Gespräch. Am Festival selbst wird man umgehend von einer großen Gitarrenskulptur begrüßt während der Tausch Karte zu Bändchen für einen Freitag Nachmittag erstaunlich schnell innerhalb weniger Minuten über die Bühne geht. Nach einem kurzen Security Check geht es dann auch schon aufs Gelände und man bekommt schon einen ersten Eindruck, warum 150.000 Leute so heiss auf die Karten sind: Man steht vor einer Kulisse, die an Londons Camden Town mit all seinen schönen Läden erinnert, auf der anderen Seite ist eine geschmackvoll eingerichtete Bar im besten Stile der genialen Saint Vitus Bar in New York Brooklyn. Heisst: am Hellfest wird das Wort Ambiente ganz groß geschrieben. Dieses Mantra zieht sich dann auch über das gesamte Festival-Gelände. Wo andere Festivals einfach lieblos ein paar potthässliche Bierstände platzieren stellt das Hellfest gestapelte Container mit Kunst-, Licht- und Feuerinstallationen auf. Der Weinstand ist nicht einfach ein Weinstand, nein er ist ein überdimensioniertes Weinfass. Der Einlassbereich ist nicht nur eine Gitterschleuse, nein er hat die Fassade eine großen Kathedrale, in der Nacht selbstverständlich mit Lichteffekten. Es wäre müssig, sämtliche visuelle Highlights des Geländes aufzuzählen, aber zwei müssen noch zwingend erwähnt werden. Die neu entworfene Warzone Stage, auf der die meisten Hardcore- und Punk-Bands des Festivals spielten, war aufgebaut wie ein Armeelager mit Metallzäunen samt Stacheldraht und Wachtürmen und auf dem Weg dorthin passiert man den Lemmy Kilmister Schrein in Form einer ca 15 Meter hohen Lemmy Statue in deren Mitte sich ein Schrein mit Lemmy’s Original Stiefeln befand. Interessant wird die ganze Kulisse in der Nacht: all die Installationen werden mit Leben erweckt und sprühen Flammen, Funken und Licht. Weiterhin ist auffallend, dass das Hellfest mit digitick, Kronenburg oder Deezer zwar Sponsoren hat, diese sind aber auf dem Festival stark im Hintergrund. Die Hauptbühnen hatten gerade einmal 4-6 kleinste Banner und waren sonst in eine kunstvolle 3D Old-School Seemanns Tattoo Fassade eingefasst. Zwischen den Bands gab es keine einzige Werbeeinblendung auf den Bildschirmen und das restliche Gelände war bis auf vereinzelte Kronenburg Schilder über den Bierständen frei von Werbung, was auch für die Benennung der Bühnen galt: Es gab keine Grosskonzern X oder Merchfirma Y Bühne. Die Bühnen hiessen Mainstage 1, Mainstage 2, The Valley, The Temple, The Altar und Warzone. Ein Zustand, der in Deutschland schon bei mittelgrossen Hardcore-Festivals unvorstellbar geworden ist. Wir halten fest: im Vergleich dazu ist jedes einzige Festival auf deutschem Boden eine lieblos hingeknallte Veranstaltung. Das Hellfest hat eine wahrlich atemberaubende Kulisse, die man so wohl nur auf Veranstaltungen der Marke Burning Man oder eventuell Coachella zu sehen bekommt.

Hellfest Warzone Stage und Lemmy

Aber natürlich hat das Hellfest wie eingangs erwähnt auch musikalisch einiges zu bieten. Los ging es für Team Allschools mit den New Yorkern von VISION OF DISORDER, welche zur Jahrtausendwende mit einigen herausragenden Platten und diversen wirklich guten Tourneen auf sich aufmerksam machten. Markenzeichen der Band war frühzeitig ein wechselnder Gesang zwischen Screams / Growls und Melodien. Leider hat die Band live jedoch alles an ihrer früheren Qualität eingebüsst. Der melodische Gesang von Tim Williams ist nur mit viel Wohlwollen für den Guten als solcher zu bezeichnen gewesen und die „fucking“ sowie die „open this pit up“ Dichte seiner Ansagen vermehrte sich quasi exponentiell. War leider eine enttäuschende Show einer Band deren Alben für den heute modernen Metalcore Sound als absolut wegweisend zu bezeichnen sind. Weiter ging es dann rüber auf die Hauptbühne zu den norwegischen Deathpunk Königen von TURBONEGRO, die nichts ihrer Live-Qualitäten eingebüsst haben. Die Band spielte bestens gelaunt einen Hit nach dem anderen und lieferte wie immer gewohnt schlüpfrige Ansagen. Der Wechsel von Hank von Helvete in Richtung zum Duke Of Nothing am Mikrofon scheint nach ein paar kleinen Anlaufproblemchen gut gelungen zu sein. Weiter ging es dann auf der Valley Bühne mit den MELVINS, eine Band über die man eigentlich keine Worte mehr verlieren muss. Hier spielten nichts anderes als absolute Legenden, deren Einfluss auf die moderne Gitarrenmusik nicht hoch genug beziffert werden kann. Selbstverständlich war das von Buzz Osborne, Dale Crover und ihren Mitstreitern gebotene Set alles andere als leicht verdaulich. Die Band aus Montesano, Washington sludgte sich durch Songs wie Eye Flys, Deuce (einem Kiss Cover), Night Goat oder dem Alice Cooper Cover Halo Of Flies. Die Melvins waren ein musikalisches Highlight des ersten Hellfest Tages. Nach den Melvins ging es kurz rüber auf die Hauptbühne 2 zu HATEBREED, die eine routinierte aber dennoch bärenstarke Show lieferten. Das Publikum vor den inzwischen sehr gut gefüllten Hauptbühnen war textsicher und moshte mit der Band durch eine grandiose Best Of Setlist. Es ist schön zu sehen, wenn eine Band, die man seit ihren Anfangstagen konstant verfolgt hat, solche Erfolge feiert ohne sich jemals verbogen zu haben. Nach Hatebreed waren auf der ersten Hauptbühne die dänischen Senkrechtstarter von VOLBEAT an der Reihe und so langsam wurde es richtig voll vor den beiden Hauptbühnen. Spielten VOLBEAT auf Festivals wie Rock am Ring oder Rock Im Park zweifelsohne auf einem Headliner Slot, reicht es am Hellfest „nur" für einem Platz im oberen Mittelfeld des Billings. VOLBEAT lieferten eine solide Show, die allerdings auf allen Ebenen eine 1:1 Wiederholung der Rock Im Park Show war: die gleichen Ansagen, die gleichen Witze, die gleichen Einlagen nur weniger Effekte bei der Produktion. Jungs, ein wenig Spontanität würde schon zu dem von Euch so gepflegten Rock N’ Roll Image passen. Nix für ungut: auf dem Papier war das Konzert anständig gespielt, kam beim Publikum gut an und ging somit in Ordnung. War es ein Konzert das nach dem Hellfest hängen blieb nein, es war eher ein „ach stimmt die haben ja am Freitag auch noch gespielt“ Konzert. Letzte Show im Hause Allschools war am Freitag dann RAMMSTEIN. Selbige hatten selbstredend tonnenweise Produktion mit 8 Trucks angekarrt und spielten vor beeindruckender Kulisse. Man hatte den Eindruck, dass fast alle Besucher des Hellfests zur Rammstein Show wollten: es war richtig voll und wenn man (wie wir) hinten stand sah man faktisch nichts ausser die aufgestellten Monitore. Hier könnten die Veranstalter gegebenenfalls noch über ein paar Verbesserungen bei der ersten Hauptbühne nachdenken, die Situation war am Sonntag bei Black Sabbath nämlich vergleichbar. Aus der Entfernung betrachtet lieferten Rammstein eine beeindruckende Show mit vielen Effekten. Neben all dem Feuer Brimbamborium hatten Rammstein zudem noch einen erstklassigen Sound: Mehr Brett wie bei Richard Kruspes Gitarre geht nicht. Wäre man vorne gestanden und hätte man eine gute Sicht auf die Bühne gehabt dann wäre das Rammstein Konzert sicherlich ein unangefochtenes Highlight gewesen.



Der Samstag begann für uns mit Sixx:AM. aus der Entfernung. Die Herren rund um Mötley Crüe’s Nicki Sixx und dem ex Guns N’ Roses Gitarristen DJ Ashba lieferte modernen, glatten, radiokompatiblen Los Angeles Rock Sound wie aus dem Bilderbuch. Technisch war das alles super gespielt und die Bühnenpräsenz der Band ist absolut professionell aber ihr merkt es schon… das war irgendwie ziemlich unspannend. Ähnlich aber in „modern“ ging es dann bei den Metalcore Senkrechtstartern von AMITY AFFLICTION weiter. Selbige präsentierten sich top-routiniert, professionell aber schlicht und ergreifend auf allen Ebenen uninspiriert und ziemlich unterkühlt. Es gab wenig Bewegung auf der Bühne ausser den Gang auf die Ego Riser. Natürlich hatten auch Amity Affliction einige Fans vor der Bühne aber die derzeitige Popularität der Band ist mit diesem runtergespielten Auftritt keinesfalls zu erklären. Schlussendlich war das zusammen mit dem desolaten Vision Of Disorder Auftritt mit das enttäuschendste Konzert, welches wir auf dem Hellfest gesehen haben. Besonders desolat wurde die ganze Geschichte noch durch die Band, die nach Amity Affliction die Hauptbühne betrat: Die 70-jährigen Typen (!!) von FOREIGNER haben den Jungs die Hosen komplett ausgezogen. Man mag von Foreigner (vor allem auf einer Seite wie Allschools) halten was man will, aber die Herren lieferten am Hellfest eine dermassen energiegeladene Performance ab, dass es besser nicht mehr ging. Sänger Kelly Hansen fegte wie ein Derwisch über die Bühne, schnappte sich eine (sicherlich schweineteure) Kamera der Hellfest Produktion um das Publikum zu filmen und die anderen Bandmitglieder standen Kelly in nichts nach. So viel Spielfreude sieht man nicht häufig. Selbstredend spielten Foreigner alle wichtigen Hits ihrer Karriere: Jukebox Hero, I Want To Know What Love Is oder Cold As Ice. Auch wenn Foreigner sicherlich nicht in meiner regelmässigen Playlist sind muss ich zugeben: das war eines der herausragendsten Konzerte des Festivals. Die alten Rochen haben wie man heute so gern über junge Bands sagt… alles in Schutt und Asche gelegt. Meine lieben Amity Affliction: ich hoffe ihr habt nach eurer Schlaftabletten Performance diesen Auftritt gesehen, Foreigner haben Euch gezeigt wie das mit dem live spielen richtig geht. In Sachen Energie ging es dann umgehend auf Foreigner Level weiter mit der Alleyway Crew: SICK OF IT ALL. Selbige präsentierten sich energetisch und sypmathisch wie immer. Die Brüder Lou und Pete hauten einen Kracher nach dem anderen raus und Lou verteilte bei seinen Ansagen noch ein paar Props in Richtung Twisted Sister („they showed everybody in NYC how to play live“ .. recht sollte er mit dieser Ansage behalten) und Foreigner. Das war ne richtig schöne und nette Geste. Haben Sick Of It All jemals ein schlechtes Konzert gespielt? Nein. Auch das Hellfest reiht sich in diese Tradition ein: Super Band! Nach Sick Of It All ging es für uns rüber zu MOONSORROW auf eine der kleineren Bühnen. Moonsorrow spielen eine recht interessante Mischung aus Black und Doom Metal und zeigten am Hellfest eine sehr intensive und atmosphärische Show. Nach Moonsorrow gab es dann BRING ME THE HORIZON und irgendjemand sollte Oliver Skyes mal flüstern, dass die Zeiten, in denen man sein Publikum laufend als „you fucking pussies“ betitelt um danach in meist mehr oder weniger getroffenen hohen Tönen ins Mikro zu flennen wie ein kleines Kind sind anno 2016 nun wirklich genau so vorbei wie irgendwelche „you Motherfuckers“ Ansagen. Neee, BMTH und ich werden in diesem Leben wohl nicht mehr warm miteinander. Ganz anders war dagegen die Kommunikation der nächsten Band. Dort gab es ein freundliches „thank you very much for coming out“, „we highly appreciate your support“ und nach den Ansagen die totale musikalische Zerstörung: NAPALM DEATH sind Napalm Death und bleiben sich immer treu. Barney und seine Mitstreiter prügelten sich in unfassbarer Intensität parallel zu Twisted Sister durch eine Setlist die sowohl alte Hits wie „Scum“ als auch neues Material der letzten Platte „Apex Predator, Easy Meat“ enthielt. Die Band präsentierte sich sympathisch und politisch wie eh und je. Apropos sympathisch und energiegeladen: das was die 60-jährigen Jungs Dee Snider, Jay Jay French, Eddie Ojeda und Mark Mendoza ablieferten verdient jeglichen Respekt. Lou Koller von Sick Of It All hatte am Nachmittag recht: TWISTED SISTER sind eine irre gute live Band, die durch ein Hit-gespicktes Set abhauste als gäbe es keinen Morgen mehr. Krönung der Twisted Sister Show war ein Auftritt von Motörhead’s Phil Campbell mit dem die Band dann noch „Born To Raise Hell“ als Tribute an Lemmy zockte. Nach dem Auftritt von Twisted Sister gab es noch ein beeindruckend grosses Feuerwerk für Lemmy Kilmister. Dieses Feuerwerk war sicherlich nicht günstig und eine schöne Geste an einen wunderbaren Künstler von Seiten der Veranstalter.

Hellfest 2016 - Gelände

Erste Band sollten am Sonntag eigentlich Turnstile mit ihrem schönen Helmet Groove sein, leider hat es allerdings aufgrund elend langer Schlangen im Einlassbereich nicht sein sollen. Hier muss das  Hellfest im Folgejahr noch nachbessern, zwischen 13:00 und 15:00 Uhr warteten sowohl am Samstag, wie auch am Sonntag einfach viel zu viele Leute zu lange auf den Einlass. So startete der Sonntag mit einem Urgestein des aggressiveren Noise Rocks: UNSANE aus New York. Die Band wälzte sich energetisch und hochmotiviert durch ihr Set welches musikalisch irgendwo zwischen Sonic Youth, Helmet und den Einstürzenden Neubauten einzuordnen war. Eine grandiose show einer absoluten Kultband. Weiter ging es mit den polnischen Black Metal Newcomern MGLA, welche ebenfalls auf voller Linie überzeugen konnten: perfekt gespielt, irre melodische Riffstrukturen, ein klasse Sound sowie die unkomplizierte wie wirkungsvolle Bühnenkleidung mit Sturmmasken sorgte für eine intensive Stimmung. Nach dem MGLA Konzert stand eine aufwändige Pendelei zwischen diversen Bühnen an um in möglichst viele der parallel spielenden Bands reinschauen zu können. Gesehen wurden KADAVAR mit einem herausragenden Auftritt vor einer rappelvollen Valley Zelt Bühne, KATATONIA mit einem sehr schönen Konzert sowie die RIVAL SONS. Die Band aus Long Beach, Kalifornien konnte mit ihrem Blues-Rock schon im Vorprogramm von BLACK SABBATH in Verona und Zürich auf ganzer Linie überzeugen. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Sänger Jay Buchanan mit eine der besten Live-Stimmen im derzeitigen Retro- / Blues-Rock Genre aufweist. Weiterhin hat der Gute ein fantastische Ausstrahlung auf der Bühne. Das Konzert der Rival Sons, die mit ihrer aktuellen Platte auf Platz 12 in die deutschen Album-Charts eingestiegen sind, war trotz starker Konkurrenz (Slayer, Amon Amarth, Katatonia) herausragend besucht. Hoffentlich lässt sich die Band mal wieder für ein paar Club-Shows in Deutschland blicken.

Nach einer kurzen Pause (ein Hoch auf das vegane Essen des libanesischen Standes) ging es schließlich rüber auf die Altar Zelt Bühne zu einer der besten zu-wenig erfolgreichen Bands des Metal-Genres: GRAND MAGUS. Selbige spielten leider dank der Konkurrenz zu Megadeth und Ghost vor einem viel zu leeren Zelt, was Janne, Mats und Ludwig nicht davon abhielt ein gewohnt grandioses Set mit alten Hits der Marke „Iron Will“, „Ravens Guide Our Way“ oder „Sword Of The Ocean“ zu spielen. Zudem waren natürlich auch einige Lieder des überragenden vorletzten Albums Triumph and Power mit am Start. Rauswerfer war wie immer die Grand Magus Hymne „Hammer Of The North“ zu der am Schluss das Publikum singend gen den letzten drei Liedern des GHOST Konzert aus dem Zelt zog. Grand Magus lieferten ein herausragendes und sympathisches Konzert. Ich wünsche mir hiermit Grand Magus als Support für die Amon Amarth Tour im Herbst. GHOST als Band vor Black Sabbath auf dem Hellfest? Funktioniert teuflisch gut. Ghost zogen für eines der größten Konzerte ihrer Karriere sämtliche Register in Form einer größeren Bühnenshow. Diese endete höchst umjubelt mit „Monstrance Clock“ samt einem riesen Kinderchor, Kondom-werfenden Nonnen und einem großen Feuerwerk. Obwohl wir nur drei Lieder von Ghost gesehen haben, kann man mit Fug und Recht prognostizieren, dass die Band noch nicht das Ende ihrer Karriereleiter erreicht hat. Es ist davon auszugehen, dass Ghost früher oder später Headliner-Posten auf Festivals wie dem Hellfest innehaben werden. Angesichts der konstant herausragenden Alben und Live-Auftritte auch völlig zurecht.

Auf Ghost folgten diejenigen, die für all das was sich die letzten drei Tage musikalisch abspielte Verantwortlich zeichnen: die Erfinder des Metal .. BLACK SABBATH. Selbige befinden sich derzeit auf einer mit „The End“ betitelten Abschiedstournee und werden in deren Rahmen nur noch ein Mal im Januar (zu unverschämt hohen Eintrittspreisen) in Deutschland zu sehen sein. Angesichts der herausragenden Shows bei Rock Im Park, in Verona und in Zürich war die Erwartungshaltung an einen Auftritt vor vertrautem Publikum natürlich hoch. Los ging es wie immer mit einem etwas unpassend kitschigen Intro-Video, welches von Iron Maiden hätte sein können, und dem Song Black Sabbath vom ebenso betitelten Erstlingswerk welches wie auf den Shows vorher in Fairies Wear Boots, After Forever und Into The Void mündete. Auffallend war wie sehr Ozzy’s Performance von der Sympathie und Energie des Publikums abhängt. Das Konzert in der Arena di Verona hatte ein fanatisches Publikum, welches Ozzy zu mehreren Kniefällen bewegte. Im Gegensatz dazu waren die Reaktionen in Zürich etwas unterkühlt und Ozzy verlor nach einigen Songs spürbar die Freue am Konzert, er lieferte zwar eine professionelle Performance aber überschwängliche Begeisterungsstürme waren bei ihm nicht drin. Am Hellfest wurden BLACK SABBATH selbstredend abgefeiert ohne Ende und Ozzy, Geezer und Tony hatten eine sichtlich gute Zeit. Es war ein würdiges Abschiedskonzert einer Legende, welches mit Dirty Women, Children Of The Grave und dem frenetisch umjubelten Paranoid sein Ende nahm.

 Hellfest Gelände 

Mit dem Black Sabbath Konzert nahm auch das Hellfest 2016 ein Ende für uns und es ist an der Zeit ein paar zusammenfassende Schlussworte zu finden. Dabei möchte ich in die Jahre 1995 - 1999 zum legendären Dynamo Festival wechseln. Selbiges war seinerzeit das Nonplusultra in Bezug auf Festivals mit Metal- und Hardcore-Bands und man hört heute immer wieder damalige Besucher des Dynamo über die guten alten Zeiten auf diesem Festival sinnieren, den Schreiber dieser Zeilen inklusive. Für mich war das Dynamo Festival über all die Jahre hinweg unerreicht, bis zum letzten Wochenende: das Hellfest ist der einzig wahre und legitime Nachfolger und toppt alle anderen Festivals, die ich in den letzten Jahren besucht habe um Längen. Die Gründe hierfür sind: 

  1. Das Line-Up ist für jeden Fan harter Gitarrenmusik herausragend

  2. Das Gelände ist ein Hingucker. Es gibt kein liebevoller gestaltetes Festivalgelände

  3. Die Wege zwischen den Bühnen sind erstaunlich kurz, man kann problemlos innerhalb von 5-10 jede beliebige Bühne am Gelände erreichen

  4. Das Festival verzichtet auf penetrantes Marketing durch Sponsoren 

Die Southsides, Rock Am Rings oder Rockavarias der deutschen Festial-Landschaft sollten sich einmal ernsthaft fragen ob man seine Besucher wirklich mit einem lieblos hingeknallten Gelände samt Werbeterror behelligen muss. Das Hellfest zeigt eindeutig, dass es auch anders geht.

Es gibt aber auch einen Kritikpunkt, den es anzubringen gilt: Die Einlasssituation am Samstag und Sonntag zwischen 13:00 und 15:00 Uhr sollte in den Folgejahren optimiert werden. Eine Stunde Wartezeit lässt sich sicher noch durch ein paar einfache organisatorische Maßnahmen verbessern. 

 

 

Alles in allem: Hellfest, Je t’aime!