Interview mit Alesana

05.06.2008
 

 

Über keine andere Band wird sich hier momentan so das Maul zerrissen wie Alesana. Kritiker und Fürsprecher der jungen Burschen geben sich die Klinke in die Hand und man bekommt bisweilen das Gefühl, das es unglaublich cool sei die Band zu dissen, um sich mal eben so ein paar Szene-Credibility-Points zu erhaschen. Das es bei dieser Diskussion aber oftmals nur um das Erscheinungsbild der Musiker und vor allem das Aussehen der, meist minderjährigen, Fans geht, wird oft übersehen. Im Zweifelsfalle einfach mal die Musik für sich sprechen lassen, zumal der Erfolg der Truppe ja recht zugeben scheint. Die drei Deutschland-Gigs waren auf jeden Fall mehr als gut besucht. Als ich mich in der Kölner Werkstatt Adam „Huck“ Ferguson (Gitarre, Backing-Vocals) und Jeremy Bryan (Drums) gegenübersetzte, habe ich natürlich trotzdem nicht nur Fragen bezüglich der Musik im Gepäck.

Euer neues Album “Where Myth Fades To Legend” ist in Deutschland seit Freitag draußen und wurde heute am 03.06.08 in Amerika veröffentlicht. Könnt ihr uns einen Einblick in die Platte geben und erklären was sich im Vergleich zum Vorgänger „On Frail Wings Of Vanity And Wax“ verändert hat bzw. gleich geblieben ist?

ADAM: I denke auf diesem Album sind die harten Parts noch heavier geworden und die melodischen Gesangsparts noch melodischer. So würde ich das jetzt beschreiben. Jeder hat sich an seinem Instrument verbessert, wir sind als Songwriter besser geworden und sind seit der letzten CD einfach gereift und ich denke, dass hört man auch.

Also wenn ich mir eure neue Scheibe anhöre, habe ich das Gefühl, dass alles ein bisschen härter geworden ist. Ich finde das insofern überraschend, da viele Bands aus dem Genre wie Atreyu, From First To Last, Chiodos oder Haste The Day softer geworden sind und neue Einflüsse in ihren Sound integriert haben, um sich musikalisch weiterzuentwickeln und in den Mainstream-Markt vorzustoßen.

ADAM: Wir schreiben keine Musik für andere, sondern machen das was uns gefällt. Natürlich hoffen wir, dass auch die Fans es mögen werden, aber wir nehmen uns jetzt nicht vor was poppiges oder was hartes zu schreiben, das entwickelt sich dann einfach so.

Haben euch Deathcore-Bands wie The Devil Wears Prada oder Bring Me The Horizon beeinflusst?

JEREMY: Wir mögen solche Bands und The Devil Wears Prada sind sehr gute Freunde von uns, aber wenn wir Musik machen berücksichtigen wir das nicht. Es ist schwierig zu sagen, wo unsere Einflüsse liegen, da wir alle unterschiedliche Backgrounds haben und wir sie miteinander vermischen. Die Musik kommt einfach so aus uns heraus.

Denkt ihr das die Emo-, Screamo-Szene weiter existieren wird, wenn der Trend irgendwann völlig vorbei ist?

ADAM: Ich denke sogar, dass die Szene immer größer wird. Ich weiß jetzt nicht genau, wie es bei euch ist, aber hier in Amerika kommen in letzter Zeit immer mehr Kids zu unseren Shows.
Neulich haben Chiodos mit Linkin Park und Coheed And Cambria getourt und durch solche Tourneen werden dann auch Leute, die eher Mainstream-Musik hören auf die entsprechenden Bands aufmerksam.

Wieso habt ihr vier alte Songs (‘Goodbye, Goodnight For Good’, ’Red And Dying Evening’, ’And They Call This Tragedy’ und ’Endings Without Stories’) für das Album noch einmal neu aufgenommen? So entsteht der Eindruck, ihr hättet nicht genug Material gehabt und habt deswegen auf den alten Kram zurückgegriffen. Da ihr in den USA ständig auf Tour seid, scheint es logisch, dass ihr nur wenig Zeit fürs Songwriting hattet.

JEREMY: Wir haben ziemlich viele Songs für die neue Platte geschrieben, wir hatten also mehr Stücke als auf dem Release sind. Wir hatten aber auch die Idee einige der alten Sachen noch einmal neu einzuspielen, weil sie uns so gut gefielen. Als wir uns dann die Liste der Songs angeguckt haben, stellten wir fest, dass die alten Sachen einfach besser zu den restlichen Songs passen. Wir haben dann ein paar Songparts weggelassen und die Stücke noch einmal etwas überarbeiten, um sie zu verbessern und ich finde, sie passen wirklich gut zum Rest der CD.

Werdet ihr ein Video zum Album veröffentlichen? In der heutigen Zeit scheint es nur noch wenig Sinn zu machen, Videos zu produzieren, da MTV sowieso nur noch irgendwelche komischen Reality-Shows zeigt. Letztendlich müssen die Fans eh auf YouTube zurückgreifen, wenn sie den Clip sehen wollen. Lohnen sich da der ganze Aufwand und das investierte Geld überhaupt noch?

JEREMY: Wir touren so viel, dass uns eigentlich gar keine Zeit bleibt Videos zu machen. Für die letzte Scheibe haben wir ja auch nur eins gedreht und für diese werden wir wahrscheinlich auch eins machen, aber unser Hauptanliegen besteht darin, ein Album aufzunehmen und dann soviel wie möglich zu touren. Auf YouTube gibt es auch dementsprechend viele Live-Videos von uns.

Wie geht ihr mit illegalem Downloading um? Als eine Band, die viele sehr junge Fans besitzt müsst ihr doch besonders stark davon betroffen sein, da diesen Leuten oft jegliches Bewusstsein dafür fehlt, dass man für Musik Geld ausgeben muss und die entsprechenden Künstler hart dafür gearbeitet haben.

ADAM: Da kann man letztendlich wirklich nichts gegen machen. Man kann es nicht aufhalten und die Leute werden es trotzdem tun, auch wenn sie wissen, dass es nicht erlaubt ist. Ich habe auch schon Musik gedownloaded, aber wenn ich die Musik mag, gehe ich auch los und kaufe mir die CD. Man kann nur hoffen, dass es die Kids genauso tun. Ich denke aber nicht, dass Downloading die Verkäufe so dermaßen beeinträchtigt, denn es wird immer Leute geben, die sich die CD zulegen, um die Band zu unterstützen.
JEREMY: Ich glaube, dass Musik auch zukünftig noch über den alten Weg veröffentlicht wird, denn es ist einfach ein gutes Gefühl in den Laden zu gehen und sich die CD zu kaufen, mit dem Booklet, Fotos, Lyrics und allem Drum und Dran. Ich denke nicht, dass Downloading das ersetzen kann. Na klar, iTunes ist sehr populär, man kann seine Musik online erwerben und das machen viele, ich mach das auch öfters. Trotzdem sind Verkaufszahlen immer noch ein großes Ding und es gibt auch noch überall CD-Geschäfte, also so schnell wird das nicht untergehen.

Wir geht ihr mit der Tatsache um, dass die meisten euer Fans noch Teenager sind, die die Musik oftmals nur hören, da es gerade im Moment ‘angesagt’ ist?

JEREMY: Ich hoffe, dass die meisten unserer Fans unsere Musik aufgrund der Musik mögen. Ich denke, dass die ‘echten’ Fans in ein paar Jahren immer noch in der Szene unterwegs sein werden. Ich persönlich bin stolz auf jede Art von Fan, der unsere Musik mag. Solange die Menschen weiter zu unseren Shows kommen, bin ich glücklich.

Was denkt ihr darüber, dass viele Leute in der Emo-, Screamo-Szene so dermaßen Outfit-fixiert sind? Wenn man auf einem Konzert ist, fühlt man sich häufig an eine Modenschau erinnert, bei der es nur darum geht, wer die coolsten Haare, das neuste Shirt und die engste Hose hat.

ADAM: Ich finde so was albern. Die Musik sollte der Grund sein, weshalb die Leute zu einer Show kommen und es sollte nicht in einen Schönheitscontest ausarten. Ich will, dass die Kids einfach sie selbst sind und nicht, dass sie versuchen ihre Freunde zu beeindrucken. Kommt zu den Shows und genießt die Musik, alles andere ist Schwachsinn.
JEREMY: In der Szene ging es immer darum ein bestimmtes Image zu verkörpern und ich denke, dies ist auch wichtig, da es in der Musikszene schon immer von Bedeutung war sich abzugrenzen. Die Leute sollen zu den Shows kommen und sich zu Hause fühlen. Sie können sich gerne aufbrezeln und so, aber der Hauptgrund zu einer Show zu kommen, sollte immer die Musik sein.

Was mich besonders an eurer Musik beeindruckt, sind die ausgetüftelten Gesangsarrangements. Wer schreibt denn die Vocals und wie lange dauert es, bis so was fertig ist?

ADAM: Shawn und Dennis schreiben die Texte. Shawn schreibt außerdem alle Scream-Parts und er ist zusammen mit Patrick für die melodischen Gesangsmelodien zuständig. Es dauert wirklich lange die einzelnen Parts auszuarbeiten, da Dennis, ich und jetzt auch noch Shane uns die Schrei-Parts teilen. Sogar Jeremy hat beim letzten Song der Platte seinen Teil zu den Vocals beigetragen.
JEREMY: Wir brauchen immer sehr lange, um das auszuarbeiten und die Jungs, die den Hauptteil des Songwritings übernehmen bleiben meist die ganze Nacht wach.
ADAM: Vocals can make or break a song. Sie können ein Lied total aufwerten oder vollkommen ruinieren, deshalb sind sie so wichtig. Wir verwenden einen entsprechenden Part immer erst dann, wenn wir uns hundertprozentig sicher sind, dass es genau das ist, was wir an dieser Stelle im Song haben wollen.

In der amerikanischen Szene gibt es ja viele christliche Bands. Was haltet ihr von solchen Gruppen?

ADAM: Ich bin selber gläubig. Es ist schwierig geworden Bands zu finden, die wirklich christlich sind und dies nicht nur behaupten. The Devil Wears Prada oder The Chariot sind gute Beispiele für echte, christliche Bands und nette Typen sind sie obendrein auch noch. Aber wir haben auch schon mit Bands getourt, die zu einem späteren Zeitpunkt dann behauptet haben, dass sie gläubig sind, obwohl dies gar nicht der Fall ist. So was ist echt traurig, denn es gibt in Amerika nun mal Kids, die sich nur christliche Combos anhören und das nutzen solche Bands dann aus, um mehr CDs zu verkaufen. Wir bezeichnen uns selbst auch nicht als christliche Band, obwohl ein paar von uns gläubig sind.

Was sind denn neben der Musik noch so eure Hobbys?

JEREMY: Es ist schwierig seine Hobbys aufrecht zu erhalten, wenn man permanent on the road ist. Ein paar der Jungs machen gerne Sport, aber das geht auf Tour natürlich nicht so gut. Ich persönlich mache gerne Fotos, trinke viel Kaffee und verbringe viel Zeit mit Lesen. Ich bin irgendwie ziemlich nerdy (lacht).
ADAM: Ich zocke gerne Videogames und habe sogar ein Halo-Tattoo. Dennis und ich spielen öfters mal ’ne Runde. In der Schule habe ich Baseball gespielt, aber wie Jeremy schon gesagt hat, dafür bleibt on the road nicht wirklich viel Zeit. Wenn ich dann mal zu hause bin, gehe ich öfters mal schwimmen und angeln, da ich direkt an einem See wohne.

Wie waren denn eure bisherigen Deutschland-Shows und was erwartet ihr von dem heutigen Abend?

JEREMY: Die Shows in Berlin und Stuttgart waren großartig. Wir sind zum ersten Mal in Europa und wussten nicht, was uns erwarten würde, aber die Shows waren echt gut und das Publikum war exzellent. Der heutige Abend wird vielleicht der beste bisher…
ADAM: Das ist echt cool, weil, wie gesagt, wir sind zum ersten Mal hier und hatten nicht damit gerechnet, dass so viele Leute kommen würden. Ein Mädel in Berlin meinte zu uns, dass sie in dem Laden noch nie ein Konzert einer amerikanischen Band gesehen hätte, das so gut besucht war. Normalerweise würden um die 100 Leute zu den Shows kommen, bei uns war der Club mit ungefähr 300 Besuchern ausverkauft.

Besteht die Chance, dass ihr bald mit ein paar anderen jungen US-Bands, wie z.B. Our Last Night, A Skylit Drive oder Dance Gavin Dance, nach Europa zurückkehrt?

ADAM: Die Möglichkeit besteht auf jeden Fall. Wir werden hier nach mit A Day To Remember und The Devil Wears Prada in Großbritannien touren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir mit TDWP rüberkommen werden. Wir waren auch schon mit Our Last Night unterwegs, die sind wirklich gut und wir sind mittlerweile gut befreundet. Die Chancen stehen wirklich nicht schlecht, es war ein großer Erfolg für uns und wir werden auf jeden Fall wiederkommen.

Warum denkt ihr, dass viele der jungen und neuen Bands bisher noch nicht in Europa getourt sind und stattdessen lieber die nächste Warped Tour mitnehmen. Durch das Internet sind die Gruppen auch hierzulande bekannt, selbst wenn sie ihre Alben noch nicht offiziell veröffentlicht haben.

ADAM: Es ist natürlich nicht so einfach mal eben rüberzukommen, da es so teuer ist die Flüge zu bezahlen und alles. Den jungen Bands fehlt dafür oftmals das Geld. Wir haben Glück gehabt, genug Geld gespart und unser Trip war ein voller Erfolg.
JEREMY: Wir wollten schon immer über den Teich kommen, es hat halt alles etwas länger gedauert, die Shows zu buchen und das entsprechende Geld zu kriegen und so.
ADAM: Es war immer unser Traum, möglichst viele Länder zu sehen, da wir schon so oft und überall in den Statten gespielt haben. Wir waren bereits in Chile und Brasilien und das war ziemlich cool. Hoffentlich können wir Ende des Jahres in Japan und Australien touren. Wir versuchen zu so vielen Orten wie möglich zu reisen, bevor wir sterben.