Interview mit GWLT

27.06.2014
 

 

Allschools: Chris, lass uns doch zu Beginn des Interviews einmal zurück blicken. Ich hatte beim Split von Blackout Argument das Gefühl, dass das alles sehr frustrierend für dich war und dass Du sehr gut überlegt hast wohin deine musikalische Reise hingehen soll. Gib uns doch einmal einen kurzen Einblick in die Phase zwischen Blackout Argument und GWLT.

Chris: Rückblickend betrachtet war der Split von The Blackout Argument gar nicht so frustrierend. Das Ende der Band hatte ja schon viel früher angefangen und als wir dann auf Abschiedstour gegangen sind, war die Sache für mich emotional schon durch. Du hast aber recht, ich hatte eigentlich nicht vor danach noch mal eine ernste Band zu starten, was verschiedene Gründe hatte. Allen voran, dass ich den Fokus mehr auf meine Arbeit mit Let it Burn Agency verschoben habe. Ich fand es sehr erfrischend weiterhin an der Entwicklung von Bands beteiligt zu sein, allerdings mit einem objektiven Blick von Außen. Nichtsdestotrotz habe ich relativ bald nach der Final Show von Blackout Argument wieder angefangen Songs zu schreiben. Erstmal nur für mich und ohne stilistischen Fokus. Über die Monate haben sich da ca. 50-60 Demos angehäuft, die ich dann auf verschiedene Projekte zugeschnitten habe. Auf diese Weise kam z.b. die HOLLOW SONS ep zustande. Ein paar der Demos habe ich dann auch mit David (Sänger GWLT) hin und her geschickt, um zu schauen was dabei raus kommen würde. Die Idee mal etwas zusammen zu starten hatten wir bereits 2007, als David aka Roger Rekless auf einer Blackout Argument Releaseparty als Support mit dabei war. Ich weiss noch wie ich die ersten fertigen Skizzen, die dann entstanden sind, wie folgt kommentiert habe: "Das ist entweder voll Panne oder krass gut!" ;-). Aus dem anfänglichen Projekt wurde irgendwie ganz von alleine Stück für Stück eine richtige Band, GWLT.



Allschools: Wenn man unverschämt sein will, dann könnte man den Sound von GWLT in Anlehnung an das Revival des 70ies Sounds durch Bands wie Orchid und Blues Pills gut und gerne als Retro Crossover im Stile der 90er bezeichnen. Wie kamst Du denn zu GWLT und auf die Idee gerade diesen Musikstil mit einer neuen Band spielen zu wollen? Denn eigentlich bist du ja von Grund auf ein "klassischer" Hardcore Gitarrist, der locker in jedem Detail über diverse Anschlagsarten und Riffs von Youth Of Today und co sinnieren kann.

Chris: Ach keine Ahnung, irgendwie hört jeder in unseren Songs etwas anderes raus. Wir als Band machen uns da gar nicht so den Kopf und machen uns wenig bis keine stilistischen Vorgaben. Das einzige was uns wichtig ist, ist dass beim Verschmelzen verschiedener Stile nichts verwässert. Wenn wir einen Song mit heavy riffs schreiben, dann sollen der Song, auch wenn drüber gerapped wird, immer noch heavy sein. Wenn wir irgendwo einen Rap-Part einbauen, dann soll dieser so gut sein, dass er auch unabhängig vom Rest des Songs als Rap-Part bestehen könnte. Ein catchy Refrain soll ein catchy Refrain sein, egal ob er gerapped oder geshoutet wird. Keine faulen Kompromisse also. Retro Crossover? Vielleicht. Wenn dann aber in der Tradition des "Judgement Night" Soundtracks auf dem jeder Künstler seinen eigenen Stil zu 100% einbringen konnte und dabei ein paar der stärksten genre-mix Songs aller Zeiten entstanden sind.



Allschools: Was hat Euch denn dazu bewogen mit 3 EPs und nicht mit einer Full Length "in den Markt" zu gehen und warum ignoriert ihr dabei die aktuell immer beliebter werdenden Medien Vinyl und Tape. So eine GWLT EP Tape Collection wäre doch durchaus was interessantes für die Sammler.

Chris: Mit den 3 EPs wollen wir uns als Band zunächst selbst finden und auch den Leuten, die uns feiern, die Möglichkeit geben uns in Ruhe zu entdecken. Jede EP ist auf eine andere Art und Weise entstanden, wurde in anderen Studios gemischt, enthält eine stilistisch andere Ausrichtung. Ich denke nicht, dass das auf einem Album zu einer sinnvollen Einheit verschmolzen wäre. Was die Tonträgerformate betrifft: Vinyl hätten wir echt gerne gemacht, nachdem es uns aber im Moment noch sehr wichtig ist alles alleine aufzuziehen, wäre es finanziell ziemlich unsinnig gewesen auf einen Schlag 3 Vinyl Platten rauszubringen. Aber vielleicht holen wir das zu einem späteren Zeitpunkt noch nach.



Allschools: Ich stelle jetzt einmal ganz bewusst eine provokante Frage: findet ihr nicht, dass Eure Promokampagne so detailliert durchdacht und so perfekt orchestriert ist, dass all das drumherum ein wenig von der Musik selbst ablenkt. Ich denke hier an das „Fingerzeichen“, Tonnenweise Shirts und Merch, all die sehr professionellen Videos oder Eure wirklich gute Vermarktung in den sozialen Medien usw. Würde man Euch etwas Böses wollen, dann könnte man GWLT als aalglatte Band vom Reissbrett bezeichnen.

Chris: Ich freue mich über jede kritische Rückfrage. Das ist mir 1000x lieber als das inhaltslose Abrufen von "been there - done that"-Fakten was sonst so in Interviews statt findet. Trotzdem lese ich aus deiner Frage erstmal mehr Lob als Kritik heraus, was mich sehr freut :-). Wenn es so gewesen wäre, dass wir Monate lang an einer ausgefeilten Marketing-Kampagne gearbeitet hätten anstatt Songs zu schreiben, dann würde ich jetzt vielleicht auf Abwehr-Kurs gehen und dir massiv widersprechen. Das war allerdings zum Glück nicht der Fall. Fast alles von dem was nach außen so geplant und durchstrukturiert wirkt, entsteht bei uns spontan und aus dem Bauch heraus. Das ist so ein bisschen das "Ohne Anfang Ohne Ende" Prinzip. Vieles von dem was wir tun findet ganz natürlich im Fluss statt. Vielleicht hat es ja genau deshalb Hand und Fuß und wirkt nach Außen so stimmig.



Allschools: Du erwähnst ja gerade das "Ohne Anfang Ohne Ende" Prinzip. Dieser Satz taucht bei Euch ja an diversen Stellen auf und ist z.B. ja auch der Name Eures Online Shops und Eurer Merchandies-Linie. Was hat es denn damit auf sich und kann es sein, dass auch das Handzeichen in einem Zusammenhang damit steht?

Chris: ​"Ohne Anfang Ohne Ende" ist der Name unserer ersten EP aber auch so eine Art Leitsatz der GWLT und wie wir die Dinge anpacken beschreibt. Gewalt gab es schon immer und wird es auch immer geben. Es gibt keinen Startpunkt und kein Ende. Genauso ticken wir auch innerhalb der Band. Wenn wir Dinge tun dann passiert das immer im Fluß, auf natürliche Art und Weise. Es fühlt sich so an als müsste es genauso geschehen und nicht anders.



Allschools: Stell uns doch einmal kurz die wichtigsten Köpfe wie Band und Umfeld von GWLT vor.

Chris: Das ist eine spannende Frage, da sich unser professionelles Umfeld gerade erst manifestiert. Wir sind ja eine Ü30 Band in der jeder eine tolles (Musik-)Netzwerk mit in die Band eingebracht hat. Die größte Unterstützung erfahren wir jedoch aus unserem direkten Umfeld: Familie, Freundinnen/Frauen und enge Freunde. Wir freuen uns sehr darauf uns für den ganzen Support irgendwann zu revanchieren.


Allschools: GWLT sind zweifelsohne keine stumpf-blöde inhaltsbefreite Crossover / Rap-Metal Band sondern in Bezug auf Eure Texte sehe ich durchaus Parallelen z.B. zu Rage Against The Machine und Konsorten. Welche Inhalte sind Euch denn besonders wichtig?

David:
Also generell sind uns die Texte in der Band sehr wichtig. Wir verstehen jeden Text als Formgeber für den jeweiligen Song. Ich selber komme ja aus der Rapmusik, die auch sehr textlastig ist und das kommt mir total entgegen. Was die Inhalte angeht, ist es ein wenig mehr aus dem Bauch heraus. Ich selber kann vor allem dann schreiben, wenn es mich bewegt. Die Themen sind wohl ähnlich wie bei vielen anderen Bands und reichen von sozialer Ungerechtigkeit, über Polizeibrutalität zu postapokalyptischen Geschichten einer Zukunftswelt. Bei uns kommt aber immer dazu, dass wir mit der Art wie wir unsere Themen in Texte packen, ein Gefühl vermitteln. Wenn ich über die Geschichte einer postapokalyptischen Mad Max Welt schreibe, dann versuche ich, durch die Art wie ich die Worte setze, Bilder zu erzeugen, die diese Welt vor dem Auge des Hörers entstehen lassen. Genauso bei Frontex, in dem der Weg eines fiktiven Flüchtlings grob nachgezeichnet wird und die wechselnden Gemütszustände unseres Protagonisten beleuchtet werden, die alle abprallen an diesem banalen und dummen Satz „bleib besser da wo du bist“. Um das tun zu können, müssen die Themen, oder wie du es nanntest, die Inhalte uns immer sehr berühren. Da geht es nicht immer um politische oder sozialkritische Themen, die angesprochen werden müssen sondern ab und an einfach um ganz persönliche Leidensgeschichten oder andere Zustände, die mich einfach dazu zwingen sie zu schreiben. Eine Themengrenze gibt es da eigentlich nicht und ich denke, dass die Art und Weise wie wir da rangehen es uns möglich macht vieles aufzugreifen was da noch in uns schlummert. Das könnte wohl die kurze Antwort auf deine Frage sein: Die Inhalte, die uns wichtig sind, sind die Themen, die in uns rumoren und uns wütend oder betroffen machen oder uns sogar ängstigen, das können offensichtlich politische Themen sein wie auch Zukunftsängste oder andere innere Konflikte.



Allschools: Wie geht es denn in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren mit GWLT weiter?

Chris: Wir haben für 2014 noch ein paar Shows geplant und schauen auch, dass wir noch eine Tour spielen. Ausserdem steht noch die dritte und letzte EP unserer "Ohne Anfang Ohne Ende" Trias aus, die im Oktober erscheint. Das nächste richtig große Ding, das wir anpacken, wird allerdings das Projekt "Debut Album" sein. Haben wir halt mega bock drauf.