THE BRONX - Matt Caughthran ueber "Bronx VI", die letzten sechzehn Monate im Leben eines Muskers und die heilende Wirkung von Countrymusik

17.08.2021
 

 

 

 

Hey Matt, danke für Deine Zeit - besonders an Eurem freien Tag. Ihr seid endlich wieder auf Tour - zusammen mit RANCID und den DROPKICK MURPHYS. Wie geht es Dir und wie fühlt es sich an wieder live zu spielen? 

 

Um ehrlich zu sein ist es fucking weird. Aber es fühlt sich so gut an. Es sind noch immer verrückte Zeiten da draussen aber wir versuchen unser Bestes zu tun um Spass zu haben während wir dafür sorgen, dass alle sicher und gesund bleiben. Es ist ein unglaubliches Erlebnis endlich wieder live zu spielen. 

 

Auch wenn ihr “nur” einen Support-Slot habt auf der aktuellen Tour - konntet ihr schon was von dem neuen Material live vorstellen? Wie waren die Reaktionen bisher? 

 

Soweit, so gut. Wie spielen drei neue Songs bislang - “White Shadow”, “Superbloom” und “Curb Feelers”. Soweit scheinen alle die Songs zu lieben. Manchmal tut sich eine Art Gewohnheit auf wenn es um die Gestaltung der Setlist geht - also haben wir uns entschieden das Set mit einem neuen Track zu eröffnen, nämlich mit “White Shadow”. Jener kommt soweit super an, die Leute feiern es ab. 

 

Das klingt super.  Und “White Shadow” ist sicher der geborene Opener. Fuer mich sind THE BRONX live stets eine gewaltige und verlaessliche Dampfwalze. Um diese Energie beizubehalten und auch von Platte auf die Bühne zu übertragen - guckst Du Dir (noch immer) Shows von RANCID oder den DROPKICKS an und lernst Du von diesen alteingesessenen Künstlern? Oder ist es nach all den Jahren beinahe eine Routine für Euch auf der Bühne zu stehen und eine THE BRONX Show auf die Beine zu stellen? 

 

Routine ist es definitiv nicht. Meiner Meinung nach gibt es immer was zu lernen wenn man sich andere Künstler anschaut und sieht wie diese ihr eigenes Ding machen. Aber ist interessant, dass sich manche Leute eine Band anschauen nur um von ihr zu klauen oder sie zu kopieren. Bei THE BRONX aber haben wir immer schon unser eigenes Ding gemacht. Wir gehen gerne an unsere Grenzen und wollen nicht jeden Abend dieselbe Show bieten oder jeden Abend auf der Bühne dasselbe erzählen. RANCID und die DROPKICKS haben da einen ähnlichen Ansatz. Nicht nur dass die beiden Bands jeden Abend ein unfassbares Set abliefern, sondern man merkt ihnen an, dass sie Bock haben und das tun was sie lieben - weil sie es lieben. Es ist ein gutes Gefühl auf Tour zu sein mit Bands die aus dem selben Holz geschnitzt sind wie wir. 

 

War das Gefühl was Du beschreibst von der ersten Sekunde und Show an praesent oder hat es etwas gedauert sich wieder ans performen zu gewöhnen? 

 

Der erste Abend war schon komisch. Es war sehr emotional und fast ein bisschen außer Kontrolle - zumindest fuer mich. Meine Atmung beizubehalten und den ganzen Ablauf zu managen, neue Songs zu spielen, zum ersten Mal, vor einer Crowd, die komplett durchdreht - damit war ich schon ziemlich bedient. Aber jetzt, 4-5 Shows später, geht es uns gut. Unsere letzten beiden Shows in St. Louis und Wichita waren einfach nur badass Shows und wir sind definitiv “back in the groove”. Zumindest was das tatsächliche Auftreten angeht. Das Reisen und jeden Abend woanders sein ist immer noch total verrueckt  - es fühlt sich aber fast noch besser an als je zuvor. 

 

 

Wie geht es dir mental nach den letzten 16 Monaten? Es scheint als hättest Du Wege gefunden Dich zu beschäftigen mit Deinem Podcast etc. Hast Du es geschafft, bei Sinnen zu bleiben oder gab es Momente in denen Du komplett durch warst? 

 

Es gab sicherlich verschiedene Stufen. Am Anfang, als klar wurde dass diese Covid-Nummer real ist und all die Probleme, mit denen wir in den Staaten zu kämpfen hatten/haben, rückten die kleinen persönlichen Probleme fast in den Hintergrund. Ich bin sehr dankbar für die Band und die Arbeit, die diese mit sich bringt, denn ich denke es ich sehr wichtig, dass man ein positives Outlet hat, in das man seine Energie stecken kann.  In den ersten Monaten war ich sicher depressiv und enttäuscht darüber dass wir nicht touren konnten,  depressiv und enttäuscht als der Lockdown kam, depressiv und enttäuscht von dem was in der Welt vor sich ging. Aber letztlich muss man sein Bestes tun um weiterzumachen und etwas beizusteuern um die Dinge voranzutreiben. Für uns bedeutet das, Wege zu finden um uns als Künstler kreativ zu beschäftigen, sich in unsere Community einzuklinken und sich so aus dem Schlamassel herauszuarbeiten. In 9 von 10 Fällen die man sich mit den Geschehnissen beschäftigt, ist man hinterher noch desillusionierter und angepisster als vorher und hat das Gefühl seine Zeit verschwendet zu haben.  Wir wollten uns auf unsere Stärken berufen. Wenn wir schon nicht touren konnten, wollten wir was Kreatives mit der Platte machen und all die Kollaborationen mit den verschiedenen Künstlern auf die Beine stellen und haben uns gesagt: Lasst uns coole und einmalige Dinge machen an denen sich die Leute erfreuen können. Lasst uns Benefiz-Shirts machen. So haben wir uns da durchgeboxt. Es war schön zu sehen, wie sehr die Pandemie die Szene zusammengeschweißt hat. Jeder hat jedem geholfen - mit Shirtkäufen oder dem Erwerb von Livestreamtickets und so. Viele Höhen und Tiefen für alle Beteiligten, aber wir haben es irgendwie geschafft uns da durchzukämpfen und haben hoffentlich Beiträge geleistet die von Bedeutung waren so dass wir am Ende besser aus der Nummer rauskommen, als wir es am Anfang dachten. 

 

Würdest Du also sagen, es gab auch Aspekte der Pandemie, die THE BRONX geholfen haben oder sich positiv ausgewirkt haben? Ich denke da an die liebevolle Vinyl-Singles-Box, die ihr mit diversen Künstlern zusammen gestaltet habt. 

 

Wir hätten sicher auch so eine kreative Art für das Release gewählt aber die Singles-Kampagne wäre ohne die Pandemie bestimmt nicht in dieser Form passiert. Wir haben uns gedacht, wenn wir schon das Jahr über nicht touren können - warum konzentrieren wir uns dann nicht das Jahr über auf das Album und erlauben jedem einzelnen Song sein eigenes, spezielles Release? Sicherlich ein Ergebnis davon, mehr Zeit zu haben um sich solchen Projekten widmen zu können. In dieser Hinsicht war die Singles-Box sicherlich ein “pandemic exclusive”. (lacht) 

 

In einer Deiner Podcast Folgen hattest Du erwähnt dass das Material fuer “Bronx VI” schon seit einiger Zeit im Kasten ist - Ihr Euch aber pandemie-bedingt entschieden habt mit dem Release zu warten. Jetzt wo das Release nur noch eine Woche hin ist - bis Du nervös oder bloss aufgeregt dass die Platte endlich rauskommt? 

 

Meine einzige Sorge mit dem üblichen Release-Zirkel wäre wenn das Touren, welches in seiner eigentlichen Form noch nicht auf stetig und sicher zurückgekehrt ist. Die Art und Weise, auf die Künstler heutzutage Musik veröffentlichen und wie Konsumenten Musik konsumieren verändert sich ständig. Ich mache mir da nicht wirklich einen Kopf drum. Obwohl wir unsere Platte am 27. August veröffentlichen, sind wir noch den Rest des Jahres mit den Single-Releases und all den Kollaborationen beschäftigt. Das einzige was mir wirklich Stress bereitet ist das Touren. Ich würde mir sehr wünschen dass all Bands und Künstler wieder losfahren könnten um ihr Ding zu machen und etwas Geld verdienen - aber es scheint als wären wir noch einige Zeit davon entfernt. 

 

 

Lass uns zum Entstehungsprozess von “Bronx VI” wechseln. Im Presseinfo sagst Du dass dieses Mal alle Mitglieder von THE BRONX am Songwriting beteiligt waren und dass diese Tatsache der Entwicklung der Band unter die Arme greift. Verspürt ihr eine Art Drang Euch konstant weiterzuentwickeln oder ist der Songwritingprozess für eine neue Platte normalerweise sehr organisch und ungezwungen? 

 

Der Prozess ist sehr organisch. Wir sind jedes Mal super aufgeregt wenn wir an neuem Material arbeiten. Wir schreiben normalerweise einen Haufen verschiedenes Zeug und haben echt Spass der Sache. Wir lieben es eben Musik zu machen. Die Tatsache, dass Ken und Brad aus sich rausgegangen sind und am Prozess beteiligt haben war super mit anzusehen. Jeder Musiker hat einen anderen Hintergrund und entwickelt sich anders, wenn es ums Songwriting geht. Es gibt eine Menge guter Musiker, die aber keine Songs schreiben können. You know, it’s a whole nother fuckin’ thing. Auch wenn Du mit einem Haufen Deiner Freunde in einer Band spielst  - es ist trotzdem hart diesen Hügel zu überqueren und Deiner Band komplett selbstbewusst einen Song vorzustellen. Manchmal funktioniert ein Song, und manchmal eben nicht. Zu sehen wie die ganze Band inklusive Ken und Brad diesen Punkt erreicht, ist tierisch. Das Timing dafür war super. Es fühlt sich jetzt so an, als hätten wir easy noch Material für 5-6 Alben welches in uns schlummert. Und natürlich entwickeln sich der Sound und das Bandgefüge mit dem Prozess.  Ich liebe es zu sehen wie eine Band wie etwa BAD RELIGION das Material von verschiedenen Songwritern verarbeitet. Die Songs fühlen sich beinahe verschieden an, aber bauen durch einander auf sich auf. Ich denke es macht eine Platte nur besser, wenn Material aus verschiedenen Richtungen und von verschiedenen Personen beigesteuert wird. Wir wachsen dadurch auf natürliche Art und Weise anstatt dieses Wachstum erzwingen zu muessen. Dieses Material dann mit Joe Baressi aufzunehmen war perfekt. Die Platte klingt huge und einfach wie eine "fun as fuck rock’n roll record". Joe ist ein Wahnsinnstyp und ein unfassbarer Produzent. Der ganze Aufnahmeprozess war einfach eine großartige Erfahrung. 

 

Gab es einen bestimmten Künstler oder eine bestimmte Platte, der/die Joe Baressi ins Gespräch gebracht hat? 

 

Naja, die ganzen QUEENS OF THE STONE AGE oder TOOL Platten sicher, aber wenn Du an einen Punkt kommst wo es für die Produktion ein ernstzunehmendes Budget gibt, baust Du Dir fast so eine Art Checkliste auf mit Leuten aus der Musikindustrie oder besser der Punkrock-Welt. Mit Joe Baressi eine Platte machen zu koennen war auf jeden Fall ein “holy fuck” Moment, den wir kaum fassen konnten. Es gibt einfach bestimmte Produzenten, die einen einmaligen Style und Sound haben. Joe ist ein Audio-Nerd, ein echter Badass. Ich selbst bin weniger am Gear- oder dem technischen Aspekt interessiert - aber ich habe unglaublich viel Respekt fuer die Leute die es sind. Joe ist definitiv ein Künstler wenn es darum geht, eine Platte gut klingen zu lassen. 

 

Du sagtest zuvor, dass ihr sicherlich Material fuer 5-6 weitere Platten hättet. Wie weit planen THE BRONX im Vorraus? Gibt es so etwas wie einen Fünf-Jahres-Plan bei Euch oder seit ihr spontaner und geht die Dinge an wenn sie passieren? 

 

Es gibt definitiv einen Fünf-Jahres-Plan, denn die Band ist mittlerweile die Haupteinnahmequelle für alle fünf Mitglieder. Nicht wie bei KISS. Nicht, dass es ein kaltblütiges Geschäft sei - aber THE BRONX ist was wir tun und wer wird sind. Wir versuchen stets mit einer Art Gerüst zu arbeiten: Zu einem bestimmten Zeitpunkt schreiben wir eine Platte, hier bringen wir sie dann heraus, da gehen wir dann fuer zwei Jahre auf Tour. Wenn wir zurück sind, schreiben wir eine MARIACHI (EL BRONX) Platte, dann bringen wir diese raus und gehen auf Tour. Diverse Shows, etwa unsere Holidayshows, muessen natuerlich weiter im Vorfeld geplant werden und erfordern Bookmarks - über das Jahr verteilt. Es gibt jede Menge Details zu beachten.  Alleine der Prozess von der Entstehung von “Bronx VI” bis zur nächsten MARIACHI-Platte vergehen sicher fünf Jahre. Und diese Planung ist wichtig.  Wie Kinder, für die man beim Bowling eine Art Führungsschiene an der Bahn befestigen kann - versuchen auch wir die Bowlingkugel so in der Bahn zu halten. Die Musikindustrie erfährt eine Menge Veränderung - demnach ist es hilfreich, mit einem Plan ans Werk zu gehen. 

 

 

 

 

Wie balanciert ihr THE BRONX und MARIACHI EL BRONX? Ist es ein übergreifender Prozess oder fällt es manchmal schwer, genug Zeit fuer beide Bands zu finden? 

 

Es ist definitiv tough, beide Bands unterzubringen. Wenn alles erstmal in Schwung gekommen ist, wollen wir einerseits auf der Welle reiten und alles mitnehmen. Auf der anderen Seite wollen wir aber nach “Bronx V” und “Bronx VI” auch ein EL BRONX Comeback auf die Beine stellen. Aber: Je länger wir das hinauszögern, desto besser wird es sicher am Ende des Tages werden. Wir überlegen auch schon, erstmal noch eine BRONX-EP hinterher zuschieben, weil wir zusätzliches Material haben. Wir müssen uns da einfach selbst vertrauen.  Eigentlich ein gutes Problem, zuviel mit beiden Bands zu tun zu haben. Momentan konzentrieren wir uns auf das Release von “Bronx VI”, wohin es danach geht, werden wir sehen. 

 

Du wohnst in Huntington Beach, California - einem Surferort mit viel Musikhistorie und jeder Menge DIY- und Punkwurzeln, der aber in den letzten zwei Jahren auch oftmals aufgrund von lokal stattfindener Pro-Trump Rallies oder konservativer Covid-Leugner Events in den Medien war. Wie gehst Du mit dieser Kontroverse um? Bezeichnest Du Dich als Teil der Community oder siehst Du in Huntington Beach eher bloß Deinen aktuellen Wohnort? 

 

Ich bin definitiv ein Teil der Community. Ich muss nicht an einem Ort wohnen, an dem ich perfekt ins Bild passe. Im Gegenteil - ich liebe es der “Punk” zu sein, derjenige, der anders denkt. Huntington ist ein verrückter Ort, aber ich mag es, inmitten der Action zu leben. Ich mag dass es verschiedene Meinungen gibt und die Leute  protestieren können, wofür oder wogegen auch immer sie möchten. Es ist ein polarisierendes Städtchen, aber es ist sehr lebendig. Ich liebe den Strand, aber ich teile sicher nicht unbendingt die politische Meinung, die eine Menge Leute vor Ort vertreten. Fuer mich als Künstler ist es der perfekte Ort, denn es ist immer was los und es gibt viel Unterschiedliches zu sehen. Eine Menge Action - und ich liebe die Nähe zur Action. 

 

Gehst Du noch aus in Los Angeles oder Orange County? Was würdest Du sagen sind Deine Lieblingsspots um ordentlich einen drauf zu machen in Deiner Umgebung? 

Haha, ich war schon ewig nicht mehr aus. Ich wohne direkt am Strand und hänge ehrlich gesagt am liebsten auf meinem Patio ab, trinke Bier und höre Musik. Ich liebe es, kleine lokale Geschäfte zu supporten, aber habe das leider schon ewig nicht mehr gemacht. Wir gehen nicht mal mehr in Bars wenn wir auf Tour sind. Nach der Show springen wir in den Bus und hängen dort ab. Momentan ist meine Vorliebe definitiv mein Patio mit meinem old record player - das funktioniert super fuer mich. 


Was sind die Platten, die dir aktuell Freude bringen? Neu oder alt! 

Oha. Aktuell höre ich viel ZZ TOP, seit Dusty gestorben ist. Ein Klassiker! Ich habe noch nicht in die alte Platte reingehört - aber die neuen AMYL & THE SNIFFERS Songs sind stark. Die höre ich echt gerne. Oh, und GEORGE STRAIT - der Country-Typ. Ich höre nicht viel Country, aber seine Platten helfen mir die Ruhe zu bewahren denke ich. Die Songs haben für mich eine Art “grounding effect”. 

 

Absolut verständlich meiner Meinung nach. Matt, danke für Deine Zeit. Viel Spaß auf Tour weiterhin, viel Erfolg mit dem Release von "Bronx VI" und passt gut auf Euch auf! 

 

Danke Dir und Euch! Und ebenso, bis bald!