01.02.2020: THE MENZINGERS, SPANISH LOVE SONGS, MANNEQUIN PUSSY - Köln - Kantine

02.02.2020
 

 

Die größte Headliner-Show in Europa: THE MENZINGERS machen in der Kölner Kantine einen Laden mit tausend Leuten voll. Im Gepäck hat die Band ihr sechstes Album „Hello Exile“ sowie mit SPANISH LOVE SONGS und MANNEQUIN PUSSY hochkarätige Supportbands.

Einige Wochen vorher ist das Konzert schon ausverkauft. Trotz des frühen Beginns um 19 Uhr können auch MANNEQUIN PUSSY daher vor mehreren hundert Leuten spielen. Das Quartett kommt wie die MENZINGERS ebenfalls aus Philadelphia. Die letzte Europatour liegt gerade einmal drei Monate zurück, das neueste von drei Alben namens „Patience“ kam 2019 raus. Für mich sind MANNEQUIN PUSSY totales Neuland. Da die Band allerdings schon fast 10 Jahre auf dem Buckel hat, kommt sie jedoch alles andere als verlegen rüber. Selbstbewusst führt Frontfrau Marisa das Publikum am Nasenring durch die Manege. Ihr gefalle es, dass gar noch mehr Frauen im Publikum zu sehen sind als bei der Show in Hamburg, die sich diesbezüglich auf der Tour besonders hervorgetan hatte. Soundtechnisch bewegt sich das Ganze im Punkrock, weist dabei allerdings einige Ausläufer in andere Rockgenres auf. So findet sich in „Drunk II“ ein pompöses Gitarrensolo, das eher an Classic Rock denken lässt. Und auch jazzy und ruhig können MANNEQUIN PUSSY sehr gut („Romantic“). Marisa’s Gesang oszilliert dabei zwischen fragil-lasziv und Rockröhrensound. Für das letzte Drittel der Show wird die Gitarre weggelegt, auf dem Gesang liegt für die härteren Stücke nun ein LoFi-Filter anstelle des zuvor verwendeten Halls. Es dauert einige Momente, bis sich die gebannten Blicke nach der Show dieses großartigen Opening-Acts von der Bühne lösen.

Ebenfalls erst im November im Lande waren SPANISH LOVE SONGS, und das mit wiederrum deren größten Europa-Konzerten bisher: Im Vorprogramm von HOT WATER MUSIC, die ihr 25-jähriges Bandbestehen feierten, stand man vor einem ausverkauften Palladium in Köln-Mülheim. Dass die fünf Musiker aus Los Angeles schon lange nicht mehr glauben können, was mit ihrer Band passiert, nimmt man im Rahmen ihres charmanten Understatements ohne Weiteres ab – einen derartigen Durchbruch mit ihrer Platte „Schmaltz“, die für viele Fans eine der Platten der letzten Jahre ist, hatten SPANISH LOVE SONGS ganz sicher nicht erwartet. Hits über Hits, Refrains die im Ohr bleiben und frische Gitarren-Riffs. Auch die einzigartig jammernde Stimme von Dylan Slocum steuert zum hohen Wiedererkennungswert einen wesentlichen Anteil bei. Mit dem neuen Album „Brave Faves Everyone“ in den Startlöchern werden auch die neuen Songs (beide Parts von „Losers“ sowie das überragende „Kick“) abgefeiert wie die alten Hymnen à la „Sequels, Remakes & Adaptations“ oder „The Boy Considers His Haircut“. Hatte ich SPANISH LOVE SONGS anfangs unter „MENZINGERS-Abklatsch“ kategorisiert, muss ich diese Meinung mehr und mehr revidieren, je mehr ich mich mit ihr beschäftige. Gerade im direkten Vergleich, den ich später am Abend noch bekommen werde, wird dies deutlich. Am Merchstand kann man die neue Platte schon mitnehmen – mit 20€ ist das Preis-Leistungs-Verhältnis zweifelsohne ein besseres als bei der 2 Songs starken 7 Inch für 10€. Bei den vier bisherigen Auftritten in Köln wird es angesichts dessen wohl kaum bleiben. Es würde mich stark wundern, wenn SPANISH LOVE SONGS nicht noch dieses Jahr wieder zurück sind. Und angesichts der Publikumsreaktion könnten Slocum und Co. sicherlich auch einen ziemlich großen Laden füllen.

Ein besseres Aufwärmprogramm für die MENZINGERS kann man sich tatsächlich kaum vorstellen, es ist wirklich ein perfektes Tour-Lineup. Die Überschneidung der Fans zwischen SPANISH LOVE SONGS und den MENZINGERS ist sehr groß. Es gibt nun noch weniger Platz vor der Bühne, noch mehr Crowdsurfing, noch mehr Pogo, noch mehr Singalongs, noch mehr Löcher, die immer wieder gerissen und geschlossen werden. Mit „Anna“ eröffnet das Quartett das Set unter dem Banner mit dem „Hello Exile“-Artwork. Für mich persönlich war die Platte im letzten Jahr eher eine Enttäuschung, fiel sie mir doch deutlich zu ruhig aus. Die neuen Songs wie „Portland“, „Strangers Forever“ oder „America“ kommen zwar gut an, der frenetische Jubel bei älteren Songs spricht jedoch Bände, sie zünden in den ersten Reihen eher. „The Obituaries“ als zweiter Song unterstreicht diesen Eindruck deutlich, aber auch „Good Things“ und „Burn After Writing“ werden ähnlich begeistert aufgenommen. „On the Impossible Past“ bleibt eine Bank im Katalog der MENZINGERS. Wie bei so vielen Bands ist der Zauber der Durchbruchsplatte bei den alten Songs noch spürbar, während bei den neueren Songs ein größerer Abwechslungsreichtum zulasten der Eingängigkeit geht. So ist das schleppende „Last to Know“ für mich der Tiefpunkt des Sets, von dem es aber spätestens mit „I Don’t Wanna Be An Asshole Anymore“ wieder stark bergauf geht. Kurz vor Ende halten die MENZINGERS gar ein Cover von Greg Barnett’s Lieblingsband THE CLASH bereit: „Death or Glory“ stößt in der Kantine für genau so viel Resonanz wie die bandeigenen Hits. Mit „Lookers“ werde ich dann fast wunschlos glücklich gestellt, aber auch nur fast. Als letzte von zwei Zugaben kommt dann noch der Song, auf den ich am sehnlichsten gewartet habe: „After the Party“, der Titeltrack des vorletzten Albums, ist für mich der beste Song der MENZINGERS.