04.10.2019: CAPTAIN PLANET, DEUTSCHE LAICHEN - Leipzig - Conne Island

30.10.2019
 

 

Es geht langsam aber sicher aufs Ende des Jahres zu. Und CAPTAIN PLANET spielen ein paar Shows. So zwei bis vier pro Monat. Ohne neue Songs oder so einen Schnickschnack. Im Alter soll man es ja schließlich nicht übertreiben. Aber wozu auch? Ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss. Und ein gutes altes Pferd erst recht nicht.

Tourstop 3 auf der Konzertrutsche Anfang Oktober ist Leipzig. Conne Island. Eine Bank in der deutschen Punklandschaft. Kaum verwunderlich also, dass es für die Show lediglich noch ein paar Restkarten an der Abendkasse gibt. Aus der Herbstkälte stapft man also – in den meisten Fällen gut vorbereitet sowohl was Tickets als auch Kleidung angeht – hinein in die gute Stube.

Den Anfang machen heute DEUTSCHE LAICHEN. Ein Name, um den man in den letzten beiden Jahren wohl oder übel keinen Bogen machen konnte, wenn man nicht gerade unter einem Stein lebt und ab und zu noch auf Konzerte geht. Die fünfköpfige Band aus Göttingen hatte im Juli dieses Jahres ihr Debütalbum „Dig“ auf Zeitstrafe herausgebracht. Warum DEUTSCHE LAICHEN von der „altgedienten“ Punkerschule à la CAPTAIN PLANET, MATULA oder eben anderen Zeitstrafe-Assoziierten so kompromisslos abgefeiert werden, bleibt mir ein Rätsel. Aber auch nur ein halbes. Eine gewisse Logik lässt sich erkennen: Zunächst einmal ist das Deutschpunk, was für viele wohl generell immer einen gewissen Charme haben wird. Wie alle wissen, die jemals monatelang nach einem guten Bandnamen gesucht haben: Es gibt buchstäblich nichts einfacheres, als einen guten Namen für eine Deutschpunk-Band zu finden. Ein bisschen Assicharme, ein bisschen Wortwitz und fertig ist der Lack. Ich hätte locker 10 phänomenal geile Bandnamen parat, die ich hier aber natürlich nicht verrate. Vielleicht wird es ja nochmal was mit dieser Idee, mit der vermutlich ebenfalls schon unzählige Musiker aus dem Punk und Metalbereich schon oft gespielt haben: Eben mal schnell an einem Wochenende mit paar Freunden einsperren und ne Demo schreiben, die dann schnell mal schlecht aufnehmen und fertig ist der Lack, Part 2. So, nur minimal besser produziert und ausgefeilt, klingen DEUTSCHE LAICHEN übrigens. Und live tendenziell leider auch nicht besser. Für mich ist es immer alarmierend, wenn ich mir auf einem gutbesuchten Konzert sicher sein kann, dass ich alle Instrumente besser beherrsche, als die Musiker auf der Bühne dies zu tun scheinen. Wobei dies eine ziemliche Unterstellung ist, denn ich habe ja nur deren heutige Performance als Vergleich – bezogen auf diese besteht allerdings kein Zweifel. Das kann jeder, der sich mal ein halbes bis ganzes Jahr ein bisschen mit Gitarre, Bass oder Schlagzeug beschäftigt. Der Sound alleine kann’s also nicht sein, den gab es nämlich unbestreitbar schon eine Quadrillionen Mal. Die Lyrics und die Thematik der DEUTSCHEn LAICHEN machen’s aus. Hier fühlt sich auch der spießigste Mitdreißiger in seine punkigen Jugendjahre zurückversetzt, denn hier geht’s ja wieder um was. Und tatsächlich, das hat die Band aus Göttingen vielen der zeitgemäßen Punk-Acts voraus: Da geht es nämlich häufig nicht mehr wirklich um irgendwelche Inhalte. Naja, dennoch verlasse ich nach fünf Songs das Conne Island und verbringe die Zeit lieber mit guten Gesprächen an der frischen Luft.

Bei CAPTAIN PLANET gibt es hingegen wenig von diesem wieder mal „neu“modischen Schnickschnack. Hier weiß man natürlich genau, was man kriegt. In die Jahre gekommenen Emo-Punk, der zwischen nostalgischen Hits und aktuelleren Vorstadt-Hymnen vor und zurück springt. Letztes Jahr gab es mit „Rissen“ den neuesten Nachschub von CAPTAIN PLANET. Es könnte kaum einen passenderen Split-Partner geben als MATULA. Beide Bands haben zuletzt unwahrscheinlich gute Longplayer herausgebracht, auf denen sie sich treu geblieben sind und dabei bei erstaunlich ähnlichen Themen gelandet sind. Lieber in Würde reifen und altern, wie ein guter Wein eben, als sich dem durchschnittlich deutlich jüngeren Punk-Mainstream anbiedern und einen auf hippen und vermarktungsfähigen Energydrink machen wie beispielsweise BLINK-182 mit ihrer unsäglichen Entwicklung nach dem Dazustoßen von Matt Skiba. Einen ähnlichen Vergleich unter deutschen Bands müsst ihr euch selbst denken, der fehlt mir leider. Vermutlich DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN? Erstaunlicherweise gibt es, jetzt wo ich gerade darüber nachdenke, nicht wirklich viel zwischen Riesenbands wie den gerade genannten und dem Indie-Underground, der auch CAPTAIN PLANET beheimatet. In diesen Gefilden tummeln sich allerdings, und das ist auch bemerkenswert, sehr konsistente und nach wie vor authentische Bands wie TURBOSTAAT, MUFF POTTER, oder um in der Größenordnung von CP zu bleiben: MIKROKOSMOS 23, HERRENMAGAZIN, ADOLAR und so weiter. Dass Anhänger ebenjener Kapellen weiterhin Bock haben, merkt man heute Abend im Conne Island ganz deutlich: Bei Songs des ersten Albums („So Much Water So Close to Home“, „120 Sachen“, „Wespenstichen“) geht scheinbar immer noch ein Ticken mehr als bei den anderen Songs. Jedenfalls merkt man, dass die Diehards genau für solche Songs gekommen sind. Was natürlich nichts daran ändert, dass bei den bandinternen Hits à la „Hans Dampf“, „Pyro“ oder „Walbaby“ auch gefühlt ein Drittel der Halle mitsingt und sich – gemütlich mit dem Bier in de Hand wie es CAPTAIN PLANET angemessen ist – dazu bewegt. Dass ganz ohne neues Material (und „Ein Ende“ ist inzwischen auch schon mehr als drei Jahre alt) soviel abgeht, verwundert mich ganz ehrlich. Und ich hoffe, dass es so bleibt. CAPTAIN PLANET haben offensichtlich heute andere Prioritäten als ihre Band – und das ist auch gut so. Sehr eindrücklich kann man das beispielsweise an der „ach, das gibt’s ja auch noch“-mässigen Präsenz auf Social Media verfolgen. Dennoch traue ich den Hamburgern immer wieder eine gute Platte zu, denn eine schlechte war bisher unter den vier Alben nicht dabei. Und solange sich die Live-Shows so familiär und biergeschwängert anfühlen, komm ich auch gerne immer wieder.