06.05.2019: BEACH SLANG, THE DEADNOTES - Köln - Blue Shell

12.05.2019
 

 

Was für ein Ritterschlag – gerade mit JAWBREAKER und gerade auf deren erster Europa-Tour seit 27 Jahren darf James Alex‘ Band BEACH SLANG als Vorband fungieren. Mit affektierten Statements geizt der Gute ja nicht gerade. Diese Sachlage dürfte für ihn also ein Schlag direkt ins Herz gewesen sein.

Ähnlich dürfte das für THE DEADNOTES aussehen, die wie auch damals (Januar 2017) im Kölner Gebäude 9 der einzige Support für BEACH SLANG sein dürfen. Laut eigener Aussage hat sich dies sehr spontan ergeben und wurde ohne Wissen der Band einfach angekündigt. Spontanität kann das Trio jedoch gut, denn mit Bandmitgliedern aus Bremen, Köln und Freiburg und einem dermaßen gefüllten Konzertkalender hat man das über die Jahre sicher üben müssen und perfektionieren können. Seit dem Debütalbum „I’ll Kiss All Fears Out Of Your Face” ist einiges an Zeit vergangen. Inzwischen haben THE DEADNOTES mit „1.20“, „Cling to You“ und „Makeup“ Singles nachgelegt. Insbesondere die beiden letztgenannten bestachen durch cleveres Songwriting, gute Produktion und Message. Während „Cling to You“ an MOOSE BLOOD erinnert (was nicht zuletzt auch an denselben Zuständigen für Mixing und Mastering liegen dürfte), kam „Makeup“ mit ausführlicher Erklärung, so auch heute live im Blue Shell: Es geht darum, Schönheits-Standards zu hinterfragen und Selbstakzeptanz aufzubauen. Wie gewohnt liefern die DEADNOTES eine mehr als solide Show und wirken auch nach gnadenlosem Touren in den letzten Jahren frisch und voller Bock. Kein Wunder, dass der Applaus da sehr laut ausfällt und BEACH SLANG immer wieder gerne auf das Trio zurückkommt.

Von einigen Bekannten habe ich über BEACH SLANG folgendes gehört: Der Hype war schnell rum. Am Anfang war jeder geflasht, insbesondere diejenigen, die die erste Europa-Show auf dem Groezrock 2015 miterleben durften. James Alex war mit seiner Flippigkeit, seiner Heartfeltness und seiner schrulligen Lache ein ganz neuer Wind in einem Genre, bei dem man immer mal wieder das Gefühl hat, dass es einschläft und auf neue Impulse angewiesen ist. Doch irgendwann rather sooner than later war das Feuer aus und inzwischen interessiert sich kaum noch jemand so richtig für BEACH SLANG. Seitdem ist viel passiert – die beiden Studioalben wären da natürlich zuerst nennen. Zugegebenermaßen waren die Veröffentlichungen zeitlich vielleicht zu nah aneinander. Vielleicht ist auch die Standard-Songstruktur eines BEACH SLANG Songs zu schnell abgenutzt. Quiet Slang hätte man sich meiner Meinung nach komplett sparen können. Mit einem Wort: Fürchterlich. Dann war die Band zwischenzeitlich sogar mal aufgelöst. Und auch, dass die Bandkonstellation sich nach Missbrauchsvorwürfen gegen den ehemaligen Gitarristen inzwischen komplett auf den Kopf gestellt hat, lässt sich natürlich bemerken. Von der Gründungsformation ist außer Alex niemand mehr vorhanden. Gut, dass BEACH SLANG von Anfang an sein Baby war und er durch seine Persönlichkeit ohnehin die Aufmerksamkeit stets am meisten auf sich zog. Inzwischen ist die Band 50% weiblich besetzt und auch Gitarristin Aurore und Bassistin Tierney Tough wissen natürlich durch ihre vorherigen Bandprojekte, wie der Hase läuft. Dennoch hat es natürlich immer so einen Beigeschmack, wenn die Konstellation so kunterbunt wechselt. In erster Linie könnte es jedoch auch das zu dicke Auftragen von James Alex sein, das sich über die Jahre abgenutzt und viele Fans verschlissen hat. Jedenfalls kann ich nicht leugnen, dass ich ihm das nicht mehr abnehme. Da kommen dann ohne weiteren Zusammenhang Ansagen wie „People keep telling me I look like a mixture of Jack Black, Harry Potter and Angus Young“. Und ich denke mir einfach nur: Authentizität geht über Selbstinszenierung. Warum ich heute trotzdem im Blue Shell stehe? Es ist trotz allem noch sehr unterhaltsam, auch wenn man sich manchmal Sorgen macht, dass James Alex vielleicht ein Alkoholproblem haben könnte. Und Songs wie „Dirty Cigarettes“ oder „Ride the Wild Haze“ sind einfach Hits. Heute Abend wird James Alex die Show jedoch gar vom vermutlich jüngsten Konzertbesucher gestohlen: Der neunjährige Finlay ist mit seinem Vater BEACH SLANG aus England hinterhergereist und er hat sich heute als Mini-Version von James Alex verkleidet. Kein Wunder, dass Alex kaum eine Gelegenheit auslässt, den Kleinen in den Mittelpunkt der Show zu stellen – er sagt, dass Rock Kids wie Finlay braucht. Wenn man sich umschaut, hat er Recht. Der Altersdurchschnitt eines BEACH SLANG Konzertes ist nämlich nach Abflauen des Hypes eher gestiegen und nachdem beim letzten Mal fast das Gebäude 9 voll war, ist heute nicht mal das Blue Shell ausverkauft. Für die Anwesenden werden jedoch wieder alle Geschütze aufgefahren: Ein „Pixies“-Cover, musikalisch untermaltes Bier-Exen, eine erzwungenes A-Capella-Ständchen von Roadie und Bestie Charlie, mehrmalig den Pete-Townsend-Gedenk-Windmühlen-Move. Aus dem eigenen Songrepertoire werden auch die beiden wohl ruhigsten Lieder „Porno Love“ und später „Warpaint“ zum Besten gegeben. Und kurz vorm Finale dann „Bastards of Young“ von den REPLACEMENTS. Meckern auf hohem Niveau also, geboten bekommt man genug. Wahrscheinlich bin ich nur etwas verbittert, weil BEACH SLANG nicht halten konnten, was die ersten drei Veröffentlichungen versprochen haben.