07.-08.09.2019: LOLLAPALOOZA BERLIN 2019 - Berlin - Olympiastadion

15.09.2019
 

 

Der Festivalsommer neigt sich dem Ende. Als eine der letzten Möglichkeiten, Bands Open Air zu sehen, reihte sich auch in diesem Jahr das Lollapalooza-Festival ein – und wartete wie immer mit einem breitgefächerten Line-up auf. Es war das erste Jahr, seit dem fünfjährigen Bestehen, bei dem das Festival nicht an einer neuen Location, sondern, wie im Vorjahr, im und um das Berliner Olympiastadion, stattfand.

Samstag
Auf dem Gelände angekommen, hieß es zunächst, sich einen Überblick zu verschaffen: Zwei Hauptbühnen (North & South), eine dritte kleinere Alternative Stage und die Perry`s Stage im Stadion lagen zum Glück nicht allzu weit auseinander und versprachen auch kurzfristige Bühnenwechsel. Zusätzlich befand sich noch eine kleinere Bühne im Lolla eigenen Weingarten und selbst für die ganz jungen Gäste gab es eine Bühne im „Kidzapalooza“-Bereich. Jede Menge Möglichkeiten also, die mit einem satten Programm in nur zwei Tagen gefüllt waren.

Musikalisch startete das Festival für mich mit STEINER & MADLAINA, die mit ihrem Folk-Pop die South Stage eröffnen durften. Poppig ging es anschließend mit TOM WALKER auf der North Stage weiter, bei dem es mich aber nicht allzu lange hielt, denn noch musste das Gelände weiter erkundet werden. Wie viele musikalische Genres das Festival abdeckt, wurde mir anschließend gut vor die Augen geführt. Angefangen mit UFO361, der bereits ein extrem junges Publikum vor der North Stage versammelte. Seine Songs waren mir bis dato schon kaum ein Begriff – und das wird sich wohl auch zukünftig nicht großartig ändern. Auch wenn ich ihm damit vielleicht unrecht tue, ist er für mich leider nur ein weiterer Autotune-Rapper, wie sie gerade zu genüge den Musikmarkt überschwemmen. Und wenn man es nicht mal in den Zwischenansagen schafft, diesen Effekt auszustellen, wirkt das ganze leider zusätzlich lächerlich. Aber hey, zumindest bot der Auftritt die ersten Feuereffekte des Tages. Da fühlte ich mich anschließend bei DENDEMANN doch deutlich besser aufgehoben, dessen Musik mich schon lange begleitet und auch den qualitativen und textlichen Unterschied im direkten Vergleich offenbarte. Es folgte der Wechsel zur Alternative Stage, wo ROOSEVELT gerade seinen stark von den 80ern beeinflussten Pop präsentierte. Straighte Gute-Laune-Musik, die die Sonne scheinen lässt. Zumindest theoretisch, denn so richtig wollte sich diese nicht zeigen. Der komplette musikalische Kurswechsel folgte direkt danach, als ich mich auf den Weg zur Perry`s Stage machte. Diese Bühne befand sich direkt im Stadion und stand das gesamte Wochenende im Zeichen elektronischer Musik samt ihrer verschiedensten Facetten. Als ich dort eintraf, standen gerade SCOOTER auf dem Programm. Es ist immer wieder erstaunlich und irgendwie erschreckend zugleich, wie viele Songs man doch kennt, ohne sich bewusst mit H.P. Baxxter und seinem musikalischen Output zu beschäftigen. Aber in 25 Jahren sammelt sich wohl so einiges an. SCOOTER sind halt einfach SCOOTER – ganz schön flach und prollig, aber irgendwie ziemlich unterhaltsam. Dennoch reicht es mir nach vier oder fünf Songs dann auch. Außerdem stand eine der wohl im Moment gehyptesten Künstlerinnen des ganzen Line-ups auf dem Programm – BILLIE EILISH. An der Menschenmenge vor der Bühne zeigte sich, warum die Tagestickets bereits lange im Voraus ausverkauft waren. Leider war der Sound, besonders an diesem ersten Festivaltag, des Öfteren nicht gut und übersteuert. Neben oft zu viel Bass, musste man außerdem relativ nah an die Bühne herangehen, damit man nicht einen Mix aus verschiedenen Acts zu hören bekam.

Viel Bass gab es auch bei MARTERIA & CASPER, nur war es hier gewollt. Die beiden hatten eine abwechslungsreiche Setlist dabei: Neben Songs ihres Albums „1982“ wurden immer wieder Solosongs der beiden eingestreut, was eine ziemliche Hitdichte ergab. Das wirkte sich auch positiv auf die Reaktionen beim Publikum aus. Egal ob ganz vorn oder in den letzten Reihen – überall wurden die beiden gefeiert und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Beste Voraussetzungen also, um sich auch mal im hinteren Teil der Menge aufzuhalten. Denn auch beim Lollapalooza hatten die beiden ihren Monstertruck dabei, der zwischenzeitlich als zweite Bühne fungierte. Ein gelungener Auftritt, mit dem man den Tag auch hätte beenden können. Mein persönliches und etwas unerwartetes Highlight des Tages sollte aber noch folgen. Denn TWENTY ONE PILOTS hatten mich dann doch sehr überraschend ziemlich weggefegt. Daran konnten auch der ausgerechnet zu Auftrittsbeginn einsetzende Regen oder die boygroupartigen Zustände in den ersten Reihen nichts ändern. Jedem Album wurde ein Teil der Setlist gewidmet. Nachdem die ersten vier Songs das Augenmerk noch auf die aktuelle Platte „Trench“ legten, folgte anschließend eine Handvoll Songs vom Hitalbum „Blurryface“, die die Stimmung nochmals nach oben trieben. Besonders das hohe Mitsinglevel der Menge machte sich hier bemerkbar. Aber auch dem Vorgänger „Vessel“ wurde besonders zum Ende des Sets Beachtung geschenkt. Da die Songs der Band aus jeder Menge Effekten und Spielereien bestehen, die man live zu zweit nicht alle bewältigen kann, kamen einige Sachen vom Band. Das trotzdem genug Live-Atmosphäre über blieb, lag vor allem daran, dass die beiden zwischen verschiedensten Instrumenten switchten: Ob das nun Schlagzeuger Joshua Dun war, der neben den Drums auch mal die Trompete bediente, oder Sänger Tyler Joseph, der den kompletten Auftritt über zwischen Piano, Bass und Ukulele wechselte. Entgegen meiner Erwartungen blieb die Bühnenshow verhältnismäßig „bodenständig“, wenn man das bei einem Auftritt dieser Größenordnung noch sagen kann. Es gab keine Laser, kein Feuerwerk oder andere extravagante Lichtspielereien. Nur beim letzten Song „Trees“, der von den beiden trommelnd auf den Händen der Zuschauer beendet wurde, kamen zum Finale doch noch die Konfettikanonen zum Einsatz.
Wer Feuerwerk und eine fette Lichtshow wollte, musste danach nur rüber zur SWEDISH HOUSE MAFIA gehen, die als letztes die Mainstage South bespielten. Gleichzeitig traten UNDERWORLD noch auf der Perry Stage auf. Ich aber entschied mich für die Alternative Stage, auf der die PARCELS aus Australien zugange waren. Entspannter Indie-Pop, der aus den 70ern zu kommen schien und eine Band, die um die Wette strahlte, Groove hatte und mir einen runden Abschluss des ersten Festivaltages bot. Das beste an einem Festival in Stadtnähe – das eigene Bett, statt eine Nacht im Zelt.


Sonntag
Zu Beginn des zweiten Festivaltages betrieb ich erst einmal Bühnenhopping – von THE CORONAS über ELI zu GRANADA weiter zu DEAN LEWIS. Nirgends hielt es mich besonders lang. Nicht weil die Auftritte schlecht waren, sondern weil sich Überschneidungen nicht vermeiden lassen und man trotzdem so viel wie möglich mitnehmen möchte. Hin und wieder blieb ich dann doch hängen, bei Künstlern, die ich eigentlich gar nicht auf dem Schirm hatte. Besonders ALLIE X und RITA ORA, Acts, die ich perönlich gar nicht höre, überraschten mich mit ihrer stimmlichen Präsenz, sodass ich bei ihren Auftritten dann doch irgendwie kleben blieb.
Mit OLLI SCHULZ folgte der für mich erste Künstler des Tages der auf meiner persönlichen Must-See-Liste stand. Mit seiner Band im Rücken bot er eine für ihn typische Show, bei der neben der Musik auch der Humor in den Zwischenansagen nicht zu kurz kam.
Kurz beim Folkrock von HOZIER vorbeigeschaut, der gleich mit sieben weiteren Musikern auf der Bühne stand, fand ich mich anschließend bei REX ORANGE COUNTY wieder, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Damit stand ich vor der Alternative Stage aber wohl ziemlich alleine da. Besonders junge Menschen hatten sich vor der Bühne versammelt und sobald die ersten Töne erklungen, zeigte sich eine überraschende Textsicherheit.
Kurz darauf spielte KHALID auf der North Stage, dessen Auftritt ich nutzte, um mich zu stärken. Beim Anstehen an den Food- oder Getränkeständen des Geländes, musste Zeit eingeplant werden und lange Schlangen waren unausweichlich. Auch die Preise waren relativ hoch angesetzt. Im Vergleich dazu, ließ die Qualität des Angebots leider überwiegend zu wünschen übrig. Ziemlich gut funktionierte hingegen die Cashless-Funktion mit dem am Festivalbändchen eingebauten Chip. Dieser konnte online oder vor Ort aufgeladen und zum Bezahlen genutzt werden. Die Mitnahme von Bargeld war somit überflüssig. Zumindest bei mir und Freunden, die auf dem Festival unterwegs waren, funktionierte diese Zahlmethode einwandfrei.
Frisch gestärkt und nachdem ich kurz bei NURA auf der Alternative Stage vorbeigeschaut hatte, standen KRAFTKLUB auf dem Programm. Eigentlich gerade im Pausenmodus, spielten sie ihre einzige Festivalshow in diesem Jahr auf der South Stage des Lollapaloozas. Da konnte man auch zu Beginn gleich mal ein Feuerwerk zünden, während der Vorhang fiel und mit „Hallo Nacht“ ein mehr als gelungener Auftritt eingeleitet wurde. Man merkte sofort, dass die Leute vor der Bühne eine der wenigen Möglichkeiten, die Band dieses Jahr live zu sehen, nutzen wollten. Von Beginn an war die Menge am Springen, Mitsingen und auch auf der Bühne konnte man erkennen, dass KRAFTKLUB einfach Bock hatten. Besonders „Randale“ und das abschließende „Songs für Liam“ stachen dabei heraus. Definitiv einer der Höhepunkte des Tages.
Jetzt blieben nur noch die KINGS OF LEON übrig. Hier ging es natürlich etwas gediegener zu. Da ich die Band bereits mehrfach gesehen hatte und sie auf mich an diesem Abend einen etwas abgeklärten Eindruck machte, schlenkerte ich nach ein paar Songs Richtung Perry's Stage, auf der zeitgleich MARTIN GARRIX auflag, der soviele Leute ins Stadion holte, wie wohl kein anderer Act an diesem Wochenende. Der Innenbereich war voll bis zum Rand und auch die Ränge prall gefüllt. Die beindruckende Lichtshow wurde zusätzlich noch mit jeder Menge Feuerwerk unterlegt und so dürfte der Auftritt für die Elektroanhänger des Festivals ein grönender Abschluss gewesen sein. Punkt 22 Uhr war dann Schluss. MARTIN GARRIX und KINGS OF LEON machten fast zeitgleich die Musik aus und vorbei war die 2019er-Ausgabe des Lollapaloozas.

Es war mein erstes Lollapalooza und was hatte ich nicht alles vorher über das Festival gehört. Aussagen wie „Kiddieveranstaltung“ oder „Fashionshow“ im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis, machten mich im Vorfeld doch leicht skeptisch. Klar, das Lollapalooza ist nicht Wacken oder Rock am Ring. Es ist bunt und bietet abseits der Musik ein Rahmenprogramm, dass untypisch für Festivals ist. Anstelle von Besuchern, die im Schlamm herumspringen, begegnen einem hier eher Menschen mit Glitzer im Gesicht oder solche, denen ihr nächster Instagram-Post wichtiger zu sein scheint, als die eigentliche Musik. Jedoch hätte ich es mir nach all dem Gehörten deutlich schlimmer vorgestellt und so gibt es unter den Besuchern genug Leute, die keinen Wert auf solche Dinge legen, sondern einfach den Mix des Line-ups zu schätzen wissen. Finden sich auch im nächsten Jahr wieder ein paar Perlen darin, komme ich gerne wieder.

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