12.11.2007: The Used, Rise Against, Aiden, Gallows - Köln - Palladium

12.11.2007
 

 

Los geht’s: Nach den latent Bassdrum-verseuchten THE BLACKOUT, welche der fleißig konsumierenden Emo-Jugend T-Shirts mit der weisen Sentenz "Spread Legs Not Lies" (das Emo-Äquivalent zu "Make Love, Not War"?!) feilbieten, werden fünf abseitige Charaktere eines Irvine Welsh Romans auf die Bühne des Kölner Palladiums gebeamt. GALLOWS dürfen sich für eine knappe halbe Stunde durch den "How-To-Be-Punkrock"-Knigge zitieren. Und speziell dem bleichen Rotschopf Frank Carter muss man neidlos zugestehen: er hat seine Lektion in den Disziplinen "Mikrophonlasso" und "Publikum anrotzen" gelernt. Auch ein größeres Publikum dirigiert der tattowierte Schmalhans, als sei er schon seit 1986 dabei. Ein grandioses 'Nervous Breakdown'-Cover hauen die fünf aus dem United Kingdom der verdutzten Menge zusätzlich um die Ohren. Ob GALLOWS wirklich die Band ist "we´ve all been waiting for" (O-Ton: Brett Gurewitz) sei mal dahingestellt. Tatsache ist jedoch: das war ein verdammt gutes Set. Zumal im Vorfeld Gerüchte kursierten, die Band würde gar nicht spielen…

Nach kurzem Umbau rutschen AIDEN wie üblich durch eine Pfütze Lidschatten und Kajal neben der Bühne direkt hinter ihre Instrumente. Neben dem weiterhin schlechten Sound gibt Vampir- Zottel Wil am Mikrophon für die anwesenden – zumeist weiblichen – Fans den Entertainer mit Schwerenötergesten. Gravitationspunkt ihres Sets waren eindeutig die Songs vom „Conviction“- Album, und das Publikum feiert so gut es bei einer Massenveranstaltung wie dieser geht dazu ab. Doch so recht mögen die Jungs trotz fliegenden Gitarren und schicken neuen Frisuren nicht an die hervorragende Show vom Groezrock anknüpfen. Trotz klanglicher Defizite die eindeutig zu Lasten des Soundmannes gehen schnalzen die Fans nach AIDENs Auftritt befriedigt mit der Zunge. Denn gerade weil bei dieser Band gilt: Live hui – Studio pfui muss auch dieses Mal Ambition gelobt werden. Wirklich brauchen tut diese Band aber trotzdem niemand.

Fix wurde umgebaut und schon knisterte leise die Luft um sich beim Betreten der Bühne von RISE AGAINST fulminant zu entladen. Mit „Heaven Knows“ platziert sich ein starker Hit früh im Set und gewinnt ungefähr 3000 Herzen. In irrwitzigem Tempo schieben RISE AGAINST weitere Hitkohlen in den Schmelztiegel Palladium. Neben „Like The Angel“, „Give It All“ und „State Of The Union“ überzeugt auch die sichtlich gute Laune bei Sänger Tim und Konsorten dass RISE AGAINST trotz Major Verträgen, großen Hallen und dem ein oder anderen schwachen Festivalauftritt noch immer zur Punk- und Hardcoreelite nordamerikanischer Prägung gehören. Einziger Wehrmutstropfen an diesem Abend: „Six Ways `Till Sunday“ hat es nicht auf die Setliste geschafft und verprellt somit leider die Fans der ersten Stunde. Schade, aber vielleicht beim nächsten Mal.

THE USED sollten den krönenden Abschluss dieses Abends bilden und glänzten sogleich mit einer Bühnendekoration aus Pappe, bei der man neben Paris Hilton und Rocky auch einen GEORGE W. mit Hitlerbärtchen erblicken konnte. Der Saal hatte sich im Vergleich zu RISE AGAINST ein gutes Stück geleert und als Frontmann Bert McCracken auch noch demonstrativ zu Beginn des THE USED Sets seine Kippe in die Menge schnippt, hat er ein gewaltiges stück an Sympathien eingebüßt. Auch die Frage wie Chaos denn eigentlich schmeckt, bemüht er sich im Laufe des Auftrittes zu beantworten und behilft sich hierbei damit, dass er ins Publikum spuckt. Einigen scheint dies durchaus gefallen zu haben, denn noch immer erntet man respektable Begeisterungsstürme. Insgesamt fällt das THE USED Spektakel jedoch trotz besten Sound des Abends eher mittelprächtig aus und im Gedächtnis bleibt primär die Showeinlage mit dem bewusst obszönen Griff zum eigenen Gemächt…

Resümierend darf festgestellt werden, dass Chaos anno 2007 nicht ganz so fein auf der Zunge zergeht, wie noch im Vorjahr. Dennoch haben RISE AGAINST und GALLOWS diesen Abend in Köln gerettet und wir dürfen zufrieden den Ritt gen Sonnenuntergang antreten um uns im Spiegelbild des Silbersees unserer Schminke zu entledigen.


René, Sebastian K., Torben