25.04.2011: Montreal On Fire, Dawnshape, Birds In Row - Aetherblissement - Köln

25.04.2011
 

 



Montreal ist nicht erst seit gestern die Heimat stilistisch eigener und verspielter Bands. Neben einer kleinen, aber qualitativ sehr dichten Metal-Szene (CRYPTOPSY, ION DISSONANCE, DESPISED ICON, CURSED, BENEATH THE MASSACRE, MISERY SIGNALS) sind es nicht zuletzt Bands aus (Vorsicht, grobe Kategorisierung) dem weiten Feld Indie wie BROKEN SOCIAL SCENE, PLANTS AND ANIMALS oder natürlich die letztes Jahr in aller Munde gewesenen ARCADE FIRE, die auffallen. Markantestes Merkmal all dieser Bands: Eine musikalische Befreitheit von sämtlichen aktuellen Normen, oder zumindest eine völlig eigene Interpretation dieser. Nahe liegend, die drei dazu noch französisch sprechenden, am gestrigen Abend gespielten Bands im Aether ebenfalls Montreal zuzuordnen, zumal einer der Bands bezeichnenderweise MONTREAL ON FIRE heißt. Tatsächlich sind es unsere musikalisch ebenfalls bärenstarken französischen Nachbarn, die für das heutige Package verantwortlich sind. Dennoch: Es bleiben drei Bands, dessen Stil kaum markanter und ausgefallener hätte sein können. Drei Lobeshymnen über drei wundervolle Bands. Und natürlich eine über das tolle Aether, das Dunctonwood-Organisationsteam sowie dessen entspanntes (Stamm-)Publikum – aber so oft, wie ich das schon gebracht habe, belass ich das diesmal besser nur bei diesem Satz. Aber mit einem in Worten ausgedrückten Ausrufezeichen dahinter.

Also, Lobeshymne Nummer eins: DAWNSHAPE. Grobe Kategorisierung, die Zweite: Noise Rock. DAWNSHAPE lieben Effekte, lieben Loop-Tools und all den Kram, der so typisch für dieses Genre, oder besser: dieses Sammelsurium von Nerds ist. Aber sie machen auch – so wie viele ihrer Genre-Kollegen – wieder etwas völlig eigenes und bezauberndes daraus. Seichte, von filigranen Keyboard-Einsätzen getragene Momente wechseln sich mit noisigen, brachialen Ausbrüchen ab, bei denen vor allem der Herr an den Drums aufzufallen weiß. Selten habe ich einen Drummer mit mehr Emotionalität und Energie für seine Sache gesehen! Aber auch so weiß der Mann zu glänzen, weil er wie der ebenfalls sehr in seiner Sache untergehende Bassist den Rhythmus, den Groove der eigentlich sehr vertrackten Songs fühlt und lebt. Ein Trio, welchen man gerne zusieht. Sollte man sich mal auf Bandcamp anhören – auch, wenn‘s da noch nicht allzu viel gibt. So antwortete der Sänger auch nach Ende des Sets auf die Frage nach einem weiteren Song lachend: „We don’t have anymore!“. Schade.



Lobeshymne Nummer zwei: besagte MONTREAL ON FIRE. Ausbrüche und Gitarreneffekte gab es zwar auch hier, doch im Fokus stand eine schwebende, fast schon traumartige, aber nie müde Stimmung. Highlights: Zwei Gitarristen, die sich ein ausgefallenes und tiefgehendes, mit gläsernen Effekten beladenes Riff nach dem anderen zu spielten, und ein (na gut, streng genommen zwei) Sänger mit einer Vehemenz und Ausdrucksstärke in der Stimme, die vergeblich ihres gleichen sucht. Schön auch zu sehen, dass die zerreißende Emotionalität der Musik, die einem schieren Rausch gleicht, nicht nur die Band, sondern auch das Publikum erfasste. Ein Auftritt, nach dem man irgendwie platt war – aber kein Wunder, haben doch MONTREAL ON FIRE gerade verdammt tief in einen gebohrt. Kaum zu glauben, dass ich danach noch gut schlafen konnte.



Letzte Lobeshymne: BIRDS IN ROW. Hat jemand – außer die, die die Band kannten, und/oder sich zuvor das Lineup genauer angesehen hatten – jetzt noch Hardcore erwartet? Auch wenn die beiden vorigen Bands hin und wieder laut waren: BIRDS IN ROW waren es erst recht. Und auch hier kann nicht von einem Standard-Genrevertreter gesprochen werden, denn auch wenn mir während des Auftritts hin und wieder Referenzen wie TRAINWRECK durch den Kopf gingen, und BIRDS IN ROW nüchtern betrachtet eigentlich nichts neu erfinden, hat ihr Stil doch etwas völlig eigenes. Mag aber wohl in erster Linie an der unglaublichen Intensität des Auftritts liegen, bei der alle drei Bandmitglieder auf ihre Art wirklich alles rausließen: Schreie, die sich tief ins Trommelfell fressen, Riffs, die so schnell an einen vorbei scheppern dass einen förmlich schwindelig wird, ein Bass, der selten so auffällig kräftig klang und wieder ein Drummer, der eigentlich viel dickere Arme haben müsste, um diesen immensen Kraftaufwand zu kompensieren. „We don’t play pop music“, lässt der komplett in schwarz gekleidete, mit zerrissenen Tanktop und schwarz gefärbten Haaren auffallende Sänger mit einem Lächeln noch vor dem Set verkünden. Einen besseren Beweis hätte man nach so einer Aussage nicht bringen können.