30.01.2011: Lionheart, All For Nothing, First Blood, Terror, Backtrack - Exhaus - Trier

30.01.2011
 

 

Nach etlichen kleineren Hardcore-Shows im Balkensaal wusste ich gar nicht mehr so richtig, wie das große Exil des Trier Ex-Hauses von innen aussah, die letzte Show die ich dort besuchte war von Propagandhi 2008. Da TERROR jedoch aktueller sind als je zu vor und – wie jedes Kind weiß – mehr Leute ziehen als der Balkensaal fassen kann, war es im Endeffekt natürlich die einzig richtige Entscheidung der Veranstalter, denn selbst besagtes großes Exil machte das Hardcore-Aushängeschild aus Los Angeles, California fast voll. Mit 18 und später sogar nur noch 15 Euro an der Abendkasse ist das Ganze aber auch mehr als erschwinglich.



Los geht es mit ALL FOR NOTHING, von denen ich allerdings leider nicht mehr als 2 Songs und eine sympathische Ansage in die Richtung „Thanks for keeping hardcore alive!“ mitbekomme. Von einer Vorband im klassischen Sinne kann hier natürlich nicht die Rede sein, da die 4 Jungs und Frontfrau Cindy schon seit Jahren eigene Headliner-Shows spielen und auch im MAD-Tourbooking-Roster sind. Dementsprechend strahlt die Band natürlich Routine, Erfahrung und Sicherheit aus und es ist verwundert auch nicht sonderlich, dass unter den vielen Leuten auch manche sind, denen ALL FOR NOTHING mehr als nur ein Begriff ist. So wird bereits am frühen Sonntagabend für Bewegung und vereinzelte Ekstase gesorgt.



BACKTRACK hingegen erfreuen sich vermutlich einer geringeren Bekanntheit, sind aber die erste Band aus dem tourenden Package. Die junge Band aus Long Island, New York zeigt sich auf ihrer zweiten Tour nach einer kleineren Tour mit New Morality im letzten Jahr ebenfalls von einer guten Seite und überzeugt vor allem durch musikalisch punktgenaues Spiel und eine ziemlich groovige Madball-Kante, wie man sie zum Beispiel Trapped Under Ice, Cruel Hand oder Down to Nothing kennt (wobei da meines Erachtens nach immer noch alle 4 Bands sehr unterschiedlich klingen!). Da die Band aber ein Stück schneller und härter agiert als Madball ist sicherlich No Warning der relevantere Vergleich. Frontmann Vitalo’s Gesang wirkt live auf mich etwas dünner und weniger bissig als auf Platte, jedoch sind keine wesentlichen Abstriche zu machen und das Gesamtpaket stimmt auf jeden Fall. Das Set besteht hauptsächlich aus Songs von „Deal with the Devil“, aber auch aus einem neuen Song, den niemand kennt und aus älteren Songs wie „Standing on two Feet“. Außerdem weist die Band auf ihr bald erscheinendes Release, das auf Reaper Records herauskommen wird, hin. Auschecken! Platz vor der Bühne ist noch relativ viel, vor allem genug für die obligatorischen Summerblast-Kiddies die um sich kicken ohne die Band zu kennen. Mitgesungen wird leider kaum, aber das war zu erwarten.



Wesentlich mehr Anklang im Publikum findet dann LIONHEART, eine Band die die Bezeichnung Moshcore sicherlich verdient und gerade vor kurzem ein neues Album namens „Built on Struggle“ heraus gebracht hat. Es kann also auf sehr aktuelle Songs zurück gegriffen werden, die den Fans ebenfalls schon erstaunlich bekannt sind. Man kann sich über Bands wie diese definitiv streiten und es ist oft schwer eine Linie im Hardcore zu ziehen zwischen dem was man gut findet und dem was gar nicht geht. Theoretisch liegen zwischen dem Sound von Backtrack und LIONHEART (zumindest für einen Außenstehenden, der nicht so mit der Hardcore-Szene vertraut ist) keine Welten, jedoch war erstere Band doch deutlich eher mein Fall. Ganz klar, die Kalifornier machen das, was sie machen, sehr professionell. Jedoch gestaltet sich mir der Sound dann doch zu moshlastig, es reihen sich zu viele Breakdowns an andere und die Lieder lassen sich eher schwer voneinander unterscheiden. Zu Gute halten würde ich der Band die breit gestreute Abwechslung zwischen Hauptgesang und Backing Vocals (wobei alle Stimmen sehr geschult sind) und die Tatsache, wie sie das Publikum anheizt. Fast kein Song vergeht, in dem nicht „Show me what you got“, ein Circle-Pit oder Ähnliches gefordert wird. Das wirkt und die Energie bleibt stets aufrecht erhalten. Am besten kommen unter anderem „Pure Anger“, aber auch „This is Who I Am“ und vor allem „Wasteland“ („Burn this place to the ground!“ – tolle Parolen zum allgemeinen Mitbrüllen..) an, also auch Lieder vom vorherigen Release namens „The Will to Survive“. Auch die Mosh-Warriors kommen natürlich hier voll auf ihre Kosten, denn sie können sich eigentlich eine halbe Stunde lang nach Herzenslust austoben.



Diesem Bild soll FIRST BLOOD keinen Abbruch tun, die Band ist ja gerade zu berüchtigt für das Klientel, das sie anzieht. Jogginghose, Nikes und New Era habe ich von mehreren Seiten als Stereotyp des FIRST BLOOD-Fans wahrgenommen. Diese Prognose bewahrheitet sich als relativ akurat, allerdings überzeugt die Band zum Beispiel durch die Ansage bezüglich der Lage in Ägypten davon, dass sie nicht nur Leute zum moshen, sondern auch zum überlegen bringen will. Ebenfalls überraschend ist für mich das „Meat is Murder“-Shirt des Sängers und ehemaligen Terror-Mitgliedes Carl Schwartz – ich hoffe, er kann auch ein paar der Anhänger seiner Band dazu bewegen, dass sie sich Gedanken über solche eigentlich grundlegenden, aber in der Gegenwart leider oft viel zu kurz kommenden Themen wie Ernährung und Politik, bzw. Tier- und Menschenrechte machen. Mitgesungen wird inzwischen deutlich mehr, FIRST BLOOD hatte ja 2010 mit einem neuen Album namens „Silence is Betrayal“ mal wieder ein bisschen Wind um sich gemacht: Offensichtlich zahlt es sich aus. Der Sound wirkt auf mich dem von Lionheart ziemlich nahe, ist daher also auch wieder nicht ganz so mein Ding. Kraftvoll, energisch, aber wenig innovativ. Ältere Songs wie „Suffocate“ scheinen noch ein Stück weit besser anzukommen.



Wenn es aber eine Band gibt, die wirklich übertrieben viel Hehl um sich selbst gemacht hat (nicht, dass das was Schlechtes wäre, eher im Gegenteil), dann ist das TERROR. Könnte mich nicht erinnern, dass jemals eine solche Promoflut von allen Seiten auf die Hardcore-Szene zugeschwappt kam wie vor dem Release von „Keepers of the Faith“. Da kann man dann auch mal College-Jacken und Socken in sein Merch-Sortiment aufnehmen. Über Scott Vogel und seine Mannen lässt sich kaum noch was schreiben, was nicht schon irgendwo Erwähnung gefunden hat. Die Band hat einfach inzwischen einen Kult um sich erschaffen und jede einzelne der Figuren hat ihre eigene Wirkung, ob das jetzt Jordan Posner (ehemals No Warning) an der Gitarre, Martin Stewart (Sänger von Donnybrook) an der anderen, David Wood (Sänger von Down to Nothing) am Bass, oder eben die beiden Gründungsmitglieder Nick Jett (Drums) und Scott Vogel sind. Das sind Namen, die einem geläufig sind, wie das auch bei legendären Bands wie Madball oder SOIA der Fall ist. Allerdings würde ich TERROR noch nicht als Legende bezeichnen, dafür sind sie noch viel zu nah an den Fans dran, wirken noch viel zu jung und energisch und man erwartet noch viel zu viel von ihnen. Sie haben quasi sogar noch bessere Karten als die jetzigen Legenden, weil sie noch zeitgemäß sind. Das zeigt sich vor allem, als die Bude bei den Songs der neuen Platte brennt. „Your Enemies are Mine“, „You’re Caught“, „Stick Tight“, jeder schlägt ein wie eine Bombe. Dass da Menschen der Aufforderung Vogels nachgehen, sich an die Deckenbefestigungen zu hängen und von den Boxentürmen zu springen, wundert nicht weiter. Getreu nach dem Motto „Get rowdy. Get ignorant“. Aber natürlich werden auch ältere Kaliber bedient, denn TERROR hat genug Material, um es allen recht zu machen. So finden auch eine Menge älterer Songs wie „One with the Underdogs“, „Spit My Rage“ und so weiter ihren Weg in das Set. Mitsing-Hymnen wie „Never Again“, „Keep Your Mouth Shut“ oder „Always the Hard Way“ dürfen natürlich auch nicht fehlen. Allerdings kommt es mir seltsam vor, dass dann keine Zugabe gespielt wird, als nach circa 45 Minuten Schluss ist – doch eher untypisch für eine TERROR-Show. Vielleicht gab es irgendwelchen Stress mit den Securities, manche Aktionen aus den Fanreihen waren schließlich nicht ganz ungefährlich. Unter dem Strich dennoch eine mehr als passable Vorstellung, ich vertrete ja mehr und mehr die Meinung, dass man von dieser Band einfach live gar nicht enttäuscht werden kann.

Dann bis zum Festival-Sommer.